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 ! Nachricht von: Oliver

Dieses Forum ist im Ruhezustand.

Es hat sich eine neue Gemeinschaft aus Betroffenen und Angehörigen gegründet, die sich weiterhin beim risikominimierenden Absetzen von Psychopharmaka unterstützt und Informationen zusammenträgt. Die Informationen, wie ihr dort teilnehmen könnt findet ihr hier:

psyab.net: wichtige Informationen für neue Teilnehmer


Die öffentlichen Beiträge auf adfd.org bleiben erhalten.

Bereits registrierte Teilnehmer können hier noch bis Ende 2022 weiter in den privaten Foren schreiben und PNs austauschen, aber es ist kein aktiver Austausch mehr vorgesehen und es gibt keine Moderation mehr.

Ich möchte mich bei allen bedanken, die über die geholfen haben, dieses Forum über 18 Jahre lang mit zu pflegen und zu gestalten.


Zusammenfassung Vortrag von Volkmar Aderhold "Neuroleptika absetzen"

Eine Sammlung von Artikeln, die über wissenschaftliche, politische und wirtschaftliche Hintergründe der Behandlung von seelischen Leiden mit Psychopharmaka berichten.
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Arianrhod
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Zusammenfassung Vortrag von Volkmar Aderhold "Neuroleptika absetzen"

Beitrag von Arianrhod »

hier zum Original: http://www.antipsychiatrieverlag.de/art ... setzen.pdf

Meine Zusammenfassung:

Psychopharmaka absetzen
(insbesondere Neuroleptika)
Wann?
Wie?
Wann nicht?
Was dann?
Wann trotzdem? von V. Aderhold, Universität Greifswald

Die Situation von Psychose- Betroffene/ Ersterkrankte : 20% haben nur eine Episode in ihrem Leben. 40% haben keinen Rückfall im ersten Jahr. 35% erreichen auch ohne NL nach 2- 3 Jahren Stabilität und man geht von 20% aus, die auf die Medikamente überhaupt nicht ansprechen.(Non-Responder)

Die Situation von längerfristig Erkrankten: 27% bekommen trotz NL einen Rückfall. 36%
keinen Rückfall im ersten Jahr unter Placebo , 80% Rückfälle in 5 Jahren ohne aktive Behandlung und 20% sind weiterhin Non- Responder.

Die Schlussfolgereung ist daraus, dass NL zwar im ersten Jahr zu 40% wirken, im weiteren Verlauf die Wirkung abnimmt und dafür die Nebenwirkungen in den Vordergrund treten.

Bei Komplexen Betreuungsmethoden wie Soteria oder Offener Dialog nehmen 40 - 70 % der Patienten auch nach langjährigen Verläufen keine NL.
Selbst wenn NL eingesetzt wuren, schaffen es 21% der Patienten, abzusetzen und weitere 21% nehmen kleine Dosen.

Konzept " Komplexe psychosoziale/psychotherapeutische Begleitung plus NL bei Bedarf"
Komplexe

• „Kollaboration“ zwischen Profis und Betroffenen - Erwartung von „Recovery“
• Persönliche Ziele
• Eigene Stärken zuerst
• Alltagsnähe Alltagsaktivitäten
• Integration in Arbeit
• Kontakte zu Peers
• Kontakt mit Herkunftsfamilien
• Training Sozialer Kompetenz und Problemlösung
• Gruppen


Ergebnisse der Vermont- Studie nach 20 (!) Jahren:
68% keine oder geringe Symptome
64% keine oder eine Hospitalisierungen bis 20 J nach Studienende
81% Selbstversorger
40% in bezahlter Arbeit
46 % vollständig außerhalb der Psychiatrie
68 % enge oder nähere Freundschaften

Hier scheint es Unterschiede zwischen den Krankheitsbildern zu geben. Vereinfachend könnte man sagen, je akuter der Beginn und je episodischer der Verlauf, desto leichter ist eine Heilung.

(Anmerkung von mir: Das trifft sich mit der Erfahrung meiner Psychologin. Spektakuläre Psychosen mit Wahn und Hallus sind im Endeffekt leichter zu heilen als die schleichende Form mit sozialem Rückzug etc. Aber auch hier nur "leichter".)

"Non- Compliance":
50% der Patienten setzen die Medikamente im ersten Jahr ab, 75% in den ersten 1,5 Jahren. Unerwünschte Wirkungen, mangelnde Hauptwirkung und die Hoffnung jetzt wieder gesund zu sein, sind häufige Gründe.

• Begleitete Absetzversuche sind erfolgreicher und unschädlicher.
• Schon geringe Dosisreduzierung führt zu besserer Funktionsfähigkeit.
• Falls ein Patient wieder leicht psychotisch wird, kennt man zumindest seine minimale Erhaltungsdosis.
• Patienten werden oft mit Hinweisen auf Gehirnschädigung durch Psychose zur compliance gebracht. Aber nur langandauernde Rückfälle über Monate führen zu nachweisbaren Gehirnveränderungen.


Blick in die Zukunft
Es geht demnach um die Entwicklung einer Praxis der Reduktion und des Absetzens, damit Betroffene und Angehörige
damit nicht allein gelassen werden und sich hohen Risiken aussetzen.
Wir brauchen ambulante multiprofessionelle Teams einschl. Erfahrungsexperten mit dieser Kompetenz.

Fragen und Antworten:

"Wann sollte der Arzt das Absetzen einleiten?"

"ES gibt keine sicheren Prädikatoren, alles ist sehr individuell. Positive Hinweise sind: gutes Funktionsniveau VOR der Psychose, 6 Monate symptomfrei, 2 Jahre ohne Rückfall, niedrige Ausgangsdosis, kurze Episoden und nur kurze Psychiatrieaufenthalte, spätes Erkrankungsalter, keine psychiatrische Behandlung der Eltern, Unterstützung des Umfeldes, Ziele im Leben, deutliche Auslöser, wirksame Psychotherapie, stressarmes soziales Umfeld, keine belastenden Ereignisse, allgemein gute Selbstkontrolle (also das, was ich eine gefestigte Persönlichkeit" nennen würde, Anmerkung von mir)

Der Arzt sollte genaue Fragen stellen, über Absetzversuche (gerade die gescheiterten! warum?), Zeitdauer, den Verlauf der psychotischen Krisen, auch Schlaf und Stress der jetzigen Situation.


"Wann sollte der Arzt vom Absetzen eher abraten?"

Wenn es gerade eine belastende Situation gibt, psychotische beängstigende Symptome da sind, Alkohol und Cannabis konsumiert wird, wenn der Patient zu Risikoverhalten in der Psychose neigt oder gerade in einer akuten Psychose ist.

(Es werden hier auch "ängstliches oder nicht unterstützendes Umfeld" als Hindernisgründe genannt. Ich finde, dass müsste man diskutieren. Es ist einem Mensachen nicht zuzumuten, schädliche Medikamente zu nehmen, nur weil das Umfeld ihn nicht beim Absetzen unterstützt....)


" Was kann in dieser Zeit gemacht werden?"

Kontakte vertiefen, Selbsthilfegruppen, Entgiftung, Psychotherapie


"Wie kann der Arzt Absetzen therapeutisch unterstützen?"

individuelle Formen: Entspannungstechniken, TCM, individueller Krisenplan, EMDR( bei Traumata)

Reduktionsprozess
(sollte offen sein, man weiß nicht, ob es wirklich zu "o" geht.)
10% alle 6 Wochen.
Gute Ernährung, kein Alkohol, kein Kaffee (nun ja.....),Evtl. Omega-3-Fettsäuren (700 mg EPA + 480 DHE) und
Folsäure (2 mg), Vit C (500 mg) und Vit E (400 IU) über 3-4 Monate.
• Schlaf ab 23.00 Uhr (6-8 h Nachtschlaf stabilisieren
• Emotionale Reaktionen erwarten und abreagieren
• Engmaschige Kontakte: 1-2 mal wöchentlich bei Instabilität
• Entzugssymptome kommen schnell
• Evtl. Rückkehr zur letzten Dosis (kurz auch mehr)
• Weitere Reduktion erst nach Stabilität für ca. 4 Wochen
• Erneute Reduktionsversuche sind sinnvoll – länger warten

Mögliche Symptome beim Reduzieren von NL:
• Motorische Syndrome
• Dyskinesien, Dystonien, Akathisie; Unruhe
• Vegetative Rebound-Phänomene
• Schlaflosigkeit, Agitiertheit, Konzentrationsprobleme ,Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwitzen, Schwindel,Tachykardie, Kollaps,
• Schmerzüberempfindlichkeit, Kopfschmerz können ohne Remedikation bis zu 6 Monate anhalten
• Emotionale Labilität – Instabilität, Ängste, Depressivität, Aggression

Reboundpsychosen und Absetzpsychosen sind für Clozapin, Quetiapin, Olanzapin beschrieben. Es könnte auch eine neue Psychose auftauchen . Typisch für die ersten beiden ist, dass sie sehr schnell nach dem Reduizieren kommen.

Die letzten Schritte um so kleinschrittiger.

"Wie unterstützt der Arzt, wenn der Patient gegen seinen Willen anfängt, abzusetzen?"
Begleitung ist gut, Alleingänge werden für die KK teurer (!) Eventuell Tagesklinik.


liebe Grüße Arianrhod
Flummi

Re: Zusammenfassung Vortrag von Volkmar Aderhold "Neuroleptika absetzen"

Beitrag von Flummi »

Hallo.
vielen dank für die Zusammenfassung.
Ich fand besonders interessant, dass "spektakuläre" psychosen einfacher zu heilen sind als schleichende.
Meine psychose kam zumindest meiner Psychologin auch etwas spektakulär vor und die ist jetzt immer recht erfreut, dass ich so wenig Medis nehme (die ich jetzt aber trotzdem gern absetzen möchte).
nur als Anmerkung,
Claudia
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