http://www.adfd.org/austausch/viewtopic ... 23#p139823Mario schrieb
Seit ich begonnen habe mit all dem Bullshit zu leben, ihn anzunehmen ohne mir selbst Absetzzeitpläne aufs Auge zu drücken, um mich damit wieder selbst unter Druck zu setzen, lebt es sich merklich leichter. Meine bisher wichtigste Erkenntnis während der Erkrankung ist wohl eine ziemlich unspektakuläre Sie lautet einfach nur "annehmen" und "loslassen". Meine schlimmste Zeit und meine schlimmsten Phasen hatte ich immer dann, wenn ich der Meinung war, ich müsse gegen irgendetwas ankämpfen. Sei es die Angst, oder eine Depression.....oder irgendein körperliches Symptom, wie z.B. dieses allgegenwärtige Kribbeln an der Stirn und an den Waden. Seit ich nun endlich verstanden habe, dass alles so viel leichter wird, wenn man es erstmal angenommen hat und akzeptiert, ist es plötzlich auch viel leichter, das alles innerlich loszulassen. Das gelingt mir natürlich nicht immer. Und wenn es mir nicht gelingt, gerate ich nicht selten in die übliche Spirale aus Wut und Angst. Aber es gelingt mir immer öfter.....und das freut mich sehr.
Mir fällt plötzlich auf, wie unentspannt die meisten Menschen um mich herum sind, obwohl sie vermeintlich "gesund" zu sein scheinen.
Vieviel die Erkenntnis wert ist, klar und gesund den Alltag und jeden Augenblick leben zu dürfen ist "gesunden" Menschen offenbar gar nicht bewußt! War es mir zuvor auch nicht. Erst jetzt wird mir klar, dass erschreckend viele "gesunde" Menschen um mich herum wesentlich größere Probleme haben, als ich derzeit ...... und das trotz meiner Medikamentenabhägigkeit und all den Symptomen. Ich weiß nicht, ob und wann das alles für mich vorbei sein wird. Ich weiß allerdings auch nichtmehr, ob das überhaupt wichtig ist. Ich lebe mein Leben gemäß den Umständen. Das tun wir hier doch irgendwie alle. Der eine sieht schlecht, der andere hört nichts, den einen trifft es so, den anderen so. Die Frage ist doch nur, was wir aus dem machen, was sich uns bietet. Oder nicht ? Ich sah kürzlich im TV einen Menschen ohne Arme und ohne Beine....absolut glücklich in der besten Phase seines Lebens !! Er ist Motivationscoach ! Er hat seine Situation einfach angenommen und lebt damit vollkommen positiv. Das nenne ich Gleichmut
Wenn ich eine Nacht nicht schlafe und am nächsten Tag meine Nerven verrückt spielen, alles kribbelt und Wut sich in mir breit macht, weil es draußen regnet und ich in meiner Bude gefangen wieder vollkommen mir selbst ausgeliefert bin.......dann ist das eben ein Scheißtag ....ich lerne gerade mehr und mehr, das so anzunehmen, mir anschließend nichtmehr böse zu sein, den Tag abzuhaken und weiter zu machen. Ich darf Scheißtage haben. Scheißtage hat jeder. Wir sind damit weiß Gott nicht allein.
Ich habe immernoch diese Augenblicke, in denen ich mich tief im Inneren frage, wie lange das alles noch gehen soll. Ich habe einen rießen Mirtazapin- und Quetiapinberg vor mir (wenn ich an die Reaktionen von 10%-Absetzschritten denke, wird mir Angst und Bange). Aber ich habe aufgehört, mir eintrichtern zu wollen, dass das ganze noch max. 1 Jahr dauern dürfe. Das ist vorbei. Diese quälende Gedankenspirale, die sich fortlaufend nur um die Dauer des Leids und der Hilflosigkeit dreht, unterbreche ich einfach, indem ich mir sage, dass dies die Erkrankung ist, mit der ich Leben muss. Ende. Ich habe nichts davon, den Ärzten und anderen Menschen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Ich habe mich in Wahrheit selbst in dieses Fahrwasser gezogen. Die Ärzte und die Psychologen haben am Ende nur getan, was sie immer tun.
So....ich mach jetzt nen Punkt Das musste raus. Schön, dass es dieses Forum gibt. Hier kann man in seinem eigenen Thread niederschreiben, was in der realen Welt nur wenige zu interessieren scheint. Mein völlig "gesunder" Nachbar (Versicherungsmakler) war gestern bei mir. Er kommt oft vorbei......um mir von seinem Leid zu berichten. Gestern kam er mit einem besonders schwerwiegendem Problem zu mir. Das Design seines 510 PS-Boliden gefiel ihm nichtmehr, nachdem er das neuere Model auf der Straße sah. Das machte ihn vollkommen fertig. Und während unseres gehaltvollen Gesprächs nahm er rege per Whatsapp an mind. 3 weiteren - sicherlich tiefgründigen - Unterhaltungen teil. Insgesamt verließ er in einem ziemlich hektischen, unentspannten Zustand meine Wohnung. Er sagt immer "das Leben ist ein Haifischbecken"......
In diesem Sinne....ein schönes Wochenende euch allen ! Und nur Mut !
Viele Grüße,
Mario
Liebe Padma, vielen Dank, dass du diesen hervorragenden Text von Mario entteckt hast.
Vielen Dank Mario. einfach klasse und enorm stresslösend, beruhigend, entspannend, hilfreich und ent-alptraumatisierend. Eine gute Medizin.
Ich versuche immer wieder zu akzeptieren, anzunehmen, loszulassen und ja sogar zu verzeihen, mir und all denen, die an dieser Geschichte, meiner Geschichte, teilgenommen haben. resp. mitgewirkt haben. Wie gesagt, wir wussten nicht was wir tun. Gingen den gängigen Weg, ich als Patient, und all die Mediziner.
Mir gelingt es oft, aber noch nicht sehr oft. Manchmal besser, manchmal weniger gut. Aber dein Text,deine Gedanken sind ein Quantensprung im Schneckentempo
Wunderbar, danke.
Herzlichst Deria