Depressive Episoden können Teil einer Grunderkrankung sein und genauso auch als Symptom während des Absetzens oder nach dem Entzug auftreten.
Da ich nun schon seit bald 20 Jahren an Depressionen leide, würde ich gerne hier alle hilfreichen Tipps/Strategien zum Umgang mit diesen Episoden zusammentragen. Viele davon habe ich von anderen erhalten oder selbst über die Jahre entdeckt bzw. gesammelt.
Da mir Antidepressiva nie (dauerhaft) gegen meine Depressionen geholfen haben, musste ich lernen, anders damit umzugehen. Deswegen stehen von mir auch bewusst keine Präparate oder ähnliches in der Liste, sondern Anregungen, was man tun kann, um besser damit umzugehen.
Viele der unten stehenden Sachen sind sicherlich keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse, aber vielleicht findet sich ja das ein oder andere hilfreiche für jemanden. Und vielleicht können ja auch andere hier noch das schreiben, was ihnen hilft und diese Liste ergänzen
Was mir dagegen hilft:
Prophylaxe - Dinge, die ich tue, damit möglichst keine depressiven Episoden kommen:
- Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft. Klingt so einfach, ist es aber nicht. Und es ist erstaunlich, was das der Psyche bringt (exzessiver Sport kann im Entzug ja schnell mal triggern, deswegen würde ich da eher etwas moderates machen, wie einen Spaziergang oder eine kleine Runde mit dem Rad fahren).
- Ausgewogene Ernährung: Ich achte darauf, dass ich mir immer wieder gesunde Sachen zum Essen koche. Möglichst abwechslungsreich. Dazu zelebriere ich das Einkaufen auch regelrecht, kaufe mir bewusst Nahrungsmittel in bester Qualität und suche mir immer wieder mal neue Rezepte, die ich ausprobiere.
- Meditation: Egal welche Form, einfach was einem zusagt. Das Wichtige ist eher die Regelmäßigkeit des Praktizierens. Dazu muss ich sagen, dass mir das nur in Phasen ohne Depression möglich ist. Wenn ich erstmal depressiv bin, klappen Meditationen meist nicht.
- Prinzipien der Achtsamkeit: Immer wieder innehalten und achtsam in mich hineinhören, wie es mir geht. Verschiedene Techniken aus der Achtsamkeitsbasierten Therapie (auch Mediationen, wie der Body-Scan, Atemmeditationen). Hier gibt es auch einen Thread zum Thema Skills und Achtsamkeit (DBT-Konzept) mit hilfreichen Tipps.
- Wenn die Depression erst "im Anflug" ist, ich erst spüre, dass ich zunehmend träger, lustloser und freudloser werde, kann es hilfreich sein, wenn ich spontan etwas unternehme. Meistens helfen aktivierende Tätigkeiten, wie ein Spaziergang oder Gartenarbeit etc. besser, als passive (Film schauen, lesen etc.).
- Akzeptanz: Wenn die Depression erst mal da ist, hilft es mir, nicht aktiv dagegen anzukämpfen und sie "weg bekommen" zu wollen. Ich versuche sie als ungebetenen aber bekannten Gast einfach zu akzeptieren. Sie darf dann ihre Zeit bei mir verweilen, bis sie weiterzieht. Das Ankämpfen gegen diese Zustände habe ich jahrelang versucht. Es hat mich viel Kraft gekostet und ausgelaugt und war für mich leider meist kontraproduktiv.
- Ich führe ein Tagebuch über meine Stimmungen und Wahrnehmungen. Wenn ich dann eine depressive Episode habe, lese ich bewusst die Aufzeichnungen der guten Tage, um mir vor Augen zu führen, dass bisher noch jede Episode auch wieder zu Ende war. Während einer Episode kann man das oft einfach nicht fühlen, aber man kann dann zumindest auf das vertrauen, was man liest.
- Ich gönne mir bewusst etwas gutes zu essen. Auch wenn ich während einer Episode praktisch keinen Appetit habe und keine Lust zu kochen odgl. Dann bestelle ich mir zumindest ein gesundes gutes Essen und versuche es, so gut wie möglich zu genießen.
- Ich stelle mir kleine Aufgaben, die ich noch erledigen kann. Das können wirklich winzige Dinge sein, wie das Ausräumen der Spülmaschine odgl. So habe ich dann wenigstens etwas geschafft, das ich mir vorgenommen habe.
- Malen oder Zeichnen: Dabei steht nicht das Kunstwerk im Mittelpunkt, sondern das zu zeichnen oder zu malen, was ich gerade fühle. Aussprechbar sind diese Gefühle oft nicht, aber man kann es manchmal bildlich ausdrücken. Und dadurch kann man es auch besser akzeptieren oder loslassen - so ist das bei mir zumindest. Auch das Ausmalen von Mandalas oder ähnliches kann helfen, weil man einfach mechanisch etwas tut und darin "versinken" kann.
- Weinen: So banal das klingt, aber es kann etwas befreiendes und reinigendes haben, die Tränen einfach mal laufen zu lassen. Oft weiß ich dann gar nicht worüber ich gerade weine, es ist einfach so, dass mir stundenlang die Tränen runterlaufen. Nachher gebe ich Gurkenscheiben auf die Augen, weil ich dann wie ein verquollener Alien aussehe
- Körperpflege: Einfach eine heiße Dusche oder ein Bad, den Körper eincremen, das vom Weinen verquollene Gesicht mit kühlenden Cremen beruhigen. Mir hilft das, um wieder mehr "bei mir" zu sein und mir etwas gutes zu tun.
- Keine Entscheidungen: Während einer akuten depressiven Episode ist es mir unmöglich Entscheidungen zu treffen. Kleine Dinge, wie was ich zum Essen einkaufen will, können mich schon überfordern, erst recht große wichtige Entscheidungen. Ich lasse das dann lieber komplett sein. Und bei Alltagsentscheidungen (wie, was ich esse) lasse ich dann auch einfach mal meinen Partner entscheiden. Entscheidungen wie Dosisänderungen der Medikamente oder dergleichen ist absolut tabu - in so einer Situation könnte ich da keine vernünftige Entscheidung treffen, weil ich einfach alles als hoffnungslos empfinden würde. Da ist es besser ich lasse es in solchen Zeiten.
- Keine Interpretationen/Bewertungen: Es ist oft naheliegend, dass man interpretieren will, woher die Depression kommt und was man denn dagegen hätte tun können. Allerdings ist so etwas - zumindest bei mir - während einer depressiven Phase meist kontraproduktiv. Der Blick ist so "geschwärzt" von dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit, dass man alles sehr negativ bewertet. Mir hilft es da einfach hinzunehmen, dass es gerade so ist und mich in Geduld zu üben. Die Phasen und möglichen Auslöser kann man in nicht-depressiven Phasen mit einem Therapeuten oder nahestehenden Personen erörtern.
- Kein schlechtes Gewissen: Ich neige dazu in depressiven Episoden immer ein sehr schlechtes Gewissen zu haben. Alle anderen schaffen es ja auch, dass es ihnen gut geht und ich mache dann meiner Familie und meinen Freunden nur Sorgen mit den Depressionen, wieso strenge ich mich nur nicht mehr an, etc.. Dieses schlechte Gewissen ist aber absolutes Gift. Deshalb versuche ich mir das auch immer vor Augen zu führen, dass ich keines haben muss, nur weil ich depressiv bin. Hätte ich zB eine Pollenallergie und könnte deshalb wenig raus gehen und würde ständig niesen, dann würde ich deswegen ja auch kein schlechtes Gewissen haben
- Glückstagebuch: Das hört sich bei Depressionen vielleicht paradox an. Aber ich versuche dann jeden Tag zumindest 3 klitzekleine Dinge zu notieren, die positiv sind. Das kann der Geruch von der frisch gewaschenen Wäsche sein, 5 Minuten Sonnenschein in der Früh, ein liebevoller Satz von meinem Partner, und und und. Ich glaube, dass Energie der Aufmerksamkeit folgt. Und so kann man die Energie wieder auf das Positive lenken. Das kann die Abwärtsspirale in einer Depressionen zumindest etwas hemmen oder gar durchbrechen.
- Moderater Schlafentzug: Das ist etwas, das man sicherlich besser langsam für sich austesten sollte, wie es einem bekommt. Aber mir hilft es, wenn ich mir den Wecker stelle und nicht zu viel schlafe (nicht mehr als 8 Stunden), da sich meine depressive Symptomatik bei zu viel Schlaf verstärkt. Im Entzug ist der Körper aber oft ziemlich erschöpft von dem was er leistet, da kann vermehrter Schlaf schon durchaus mal gut sein - also ist das keine Pauschalempfehlung (eher eine individuelle Beobachtung bei mir selbst).
Falls ihr noch weitere Strategien oder Tipps gegen - oder eigentlich besser "während", weil man schlecht wirklich etwas "dagegen" tun kann - depressive Zustände habt, schreibt sie gerne hier
Alles Liebe,
Cat