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Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 30.11.2016 21:33
von Jamie
 ! Nachricht von: Jamie
Hinweis: Dieser Bericht wurde auch in den Thementhread zur Akathisie angefügt (Hintergrundinformationen)
http://adfd.org/austausch/viewtopic.php ... 62#p169038

Hallo,

Auch ich möchte einen Erfahrungsbericht beisteuern.

Es war das Jahr 2005 / 2006 und ich inmitten meiner Magister-Prüfungs-Vorbereitungen an der Uni, als sich mein psychischer Zustand und meine Schlafstörungen weiter verschlechterten, sodass ich in heller Verzweiflung meine Neurologin aufsuchte.
Ich merkte, es ging alles den Bach herunter und ich raste sehenden Auges auf den Abgrund zu, konnte es aber nicht stoppen.

Es folgte ein Feuerwerk an Psychopharmaka; jede Woche saß ich erneut als Notfall, verheult, verquollen und kaum noch eines geraden Gedankens mächtig in der Praxis und musste berichten, dass das nächste Medikament wieder nicht geholfen hatte, sondern stattdessen unaushaltbare Nebenwirkungen (zumeist explosionsartige Unruhe und Panik) eingetreten waren, was für jemanden, der nachts kaum noch 2 Stunden Schlaf findet und dessen Körper 24/7 unter Strom steht, einfach ein GAU mit Ansage ist.

Da zu dieser Zeit auch nicht bekannt war, dass ich paradox auf NL reagiere, mussten erst unzählige Halbkatastrophen eintreten, ehe die Ärztin auf den Tisch haute und sagte "Entweder Sie nehmen jetzt mal ein halbes Jahr Sertralin, oder ich kann Sie nicht mehr weiterbehandeln. Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie nicht bereit sind auch mal ein Medikament länger zu nehmen und NW in Kauf zu nehmen."
Das war dann der Anfang vom Ende.

Aufgelöst vor Angst (ich schrieb meine Magisterarbeit zu diesem Zeitpunkt!) und voller Verzweiflung willigte ich in diese Erpressung ein.
Ich nahm ein paar Tage 25mg, ein paar Tage 50mg und dann ging ich hoch auf 100mg. Fast ein Jahr lang nahm ich diese Dosis.

Ich entwickelte eine Essstörung, mir war unter Zoloft (Sertralin) nicht nach essen und ich zitterte tagein / tagaus.
Ich zitterte mir sozusagen die Kilos vom Leib; nicht zu reden von der auch starken motorischen Unruhe.
Nachts bekam ich kein Auge zu, tagsüber torkelte ich völlig übermüdet und gleichzeitig aufgedreht wie unter Drogen (bitteres Lachen, ja, ich stand unter Drogen!) durch die Gegend.
Ich konnte keine Minute stillsitzen oder still liegen. Ich hatte den Kern meines Seins und Friedens verloren. :sad-angel:

Ich tigerte stundenlang wie ein eingesperrtes Raubtier in der Wohnung umher. Ich konnte überhaupt keine Ruhe mehr fühlen, ich war ein nervöses Nervenbündel. Keine Sekunde hatte ich meinen Frieden mehr.
Ich war panisch, verzweifelt, hochgradig erregt und hysterisch.
Ich heulte oder stierte lethargisch, aber immer voller Anspannung, in irgendeine Ecke.

Der Schlaf war vorher schon weg, aber das, was mir mit Sertralin angetan wurde, dafür finde ich keine Worte.
Wenn Leute behaupten, der Körper holt sich seinen Schlaf irgendwann schon, ist das gelogen - zumindest aus meiner Erfahrung.
Meiner holte sich den Schlaf nicht. Ich stand am Ende kurz davor psychotisch zu werden. Mein Kopf war wie in Watte, ich halluzinierte leicht. Ich konnte nicht klar denken; mein Denken hatte sich zu dem Zeitpunkt eh schon völlig verselbständigt und es war überhaupt nicht mehr zu kontrollieren.
Meinen Kopf konnte ich nicht drehen, da war sofort Schwindel da; auch der berühmte Augenschwindel, den viele vom SSRI-Absetzen kennen.
Ich war zu diesem Zeitpunkt fast zugrunde gerichtet.

Es hätte meiner Neurologin auffallen müssen, dass ich eine Akathisie entwickelte. Stattdessen wurde meine Diagnose "Erschöpfungsdepression" umgewandelt in "nervöse / agitierte Erschöpfungsdepression".
:frust: :frust: :frust: :frust: :frust:

Und es wurde auch nichts besser. Man hatte mir gesagt: "Wenn Ihre Depression behandelt wird, wird auch Ihre Schlafstörung besser".
Stattdessen erlebte ich eine fulminante Verschlechterung bis kurz vor den Wahn.
Was niemand (ich auch nicht) erkannte: ich war gar nicht depressiv (ich kaufte zu diesem Zeitpunkt jede Woche einen Blumenstrauß. Tun das Depressive?). Ich war verzweifelt und zeigte depressionsähnliche Zustände, weil ich nicht schlafen konnte. Und weil ich nicht schlafen konnte, ging mein Studium vor die Hunde, was den Verzweiflungsgrad nur noch verstärkte. Aber das ist nicht dasselbe!!!
Depression ist nicht dasselbe wie Verzweiflung !
Die Ursache von all dem war meine unerkannte PTBS / PTSD und weil ich nachts im Schlaf fast gestorben war (2001), machte sich mein Trauma nachts eben auch bemerkbar und ließ mich schlaflos da liegen. Das war der unmittelbare Grund der Insomnie, nicht irgendeine daherfabulierte Depression.

Ich werde niemals vergessen, was mir angetan worden ist.
Diese Ärztin verachte ich zutiefst. Ich hoffe, es gibt so etwas wie eine höhere kosmische Gerechtigkeit und das kommt irgendwann noch mal in Ordnung.

Akathisie und Insomnie - das ist wirklich das Schlimmste, was ich im Leben erleben musste (muss).
Die Akathisie verschwand ca. 6 Monate - 1 Jahr nach meinem Kaltentzug und sie wird niemals wiederkommen, weil ich nie wieder ein Psychopharmakon anrühren werde.

Heute, im Jahr 2016, habe ich halbwegs mein Leben zurück. Ich versuche in meiner Mitte zu bleiben. Ich bin in der Regel freundlich und ausgeglichen. Mein innerer Frieden, ich nenne es gerne auch Seelenheil, ist mein Ein und Alles! Ich bin achtsam und halte viel Ruhe.
Ich hetze mich nicht; ich war viele Jahre eine gehetzte Seele, ich würde das gar nicht mehr aushalten.
Ich schlafe immer noch nicht gut oder kaum, aber es kann mich nicht mehr so angreifen. Ich liege ruhig da; nicht panisch oder verstört.
Ich kämpfe darum ins Leben zurückzufinden. :fly:


Liste eingenommener Medikamente bis zur Eskalation 2006:
Sulpirid, Amitripylin, Insidon (Opipramol), Anafranil (Clomipramin), Doxepin, Trimipramin, Amitriptylin, Promethazin, Levomepromazin, Dominal forte, Mirtazapin, Trevilor (Venlafaxin), Sertralin (Zoloft)
Benzos: Lendormin, Dalmadorm, Alprazolam (alles 3 kurz vor Klinikaufenthalt 1.9.2006)

später (2008 - 2010) : Valdoxan, 5 HTP
parallel ab 2006: 8 Jahre Abhängigkeit von Zolpidem und Zopiclon, am Ende auch Alprazolam.
Zwischendrin: immer mal wieder Diazepam, Oxazepam und auch Lorazepam

aktuell: immer mal wieder Testen von Melatonin / Circadin und Ausschleichen von Amitriptylin

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 01.12.2016 11:55
von TeaTime
Liebe Jamie,

ein bedrückender Bericht, aber auch einer der Hoffnung macht.

(Ich hoffe, ich finde nun die richtigen Worte, die Deinen offenen Worten, und Deinen Qualen gerecht werden)

Du hast viel verloren, viel aufgeben müssen. Viele Schmerzen hinnehmen müssen. Hilflosigkeit erlebt.

Aber Du hast niemals aufgegeben !!

Ärzte und Medikamente haben Dein Leben und Deine Zukunft zerstört, zumindest das, was Du hattest und wolltest.

Man behandelte falsch und sinnlos eine nicht vorhandene Depression.

Aber Du hast neue Wege gefunden und gekämpft, Dich befreit.

Natürlich kämpfst Du auch heute noch, denn diese vielen Medikamente und die horrenden Nebenwirkungen muss man erst einmal aus dem Körper und dem Kopf bekommen.

Dieser niemals wirklich vorhandene Schlaf verändert das Leben und den Menschen total. (Kenne das ja zu gut)

Liebe Jamie, danke für diesen ehrlichen Bericht !! Und meinen tiefsten Respekt, wie Du hier die Menschen unterstützt und ihnen Mut machst. Wie Du es schaffst für Andere da zu sein.

Deine immer freundliche Art, Deine informativen und kompetenten Antworten, sind eine Bereicherung !!

HEUTE im Jahr 2016 versuchst Du in Deiner Mitte zu bleiben. Hast Deinen Weg gefunden, alleine !!!

Und morgen, im Jahr 2017 und den folgenden, wirst Du weiterkämpfen und weitergehen.

Du hast Dir vieles erkämpft und erarbeitet, und das wirst Du weiter tun und es wird Dich weiter bringen.

Du bist sehr stark, mit schwachen Momenten, wenn es Dir schlecht geht. Aber Du wirst weiterkommen !!!!!

Du bist und hast eine starke Persönlichkeit, und die wird keinen Stillstand zulassen !!!

Lieben Gruß, mach weiter so,

TeaTime

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 01.12.2016 13:49
von lunetta
Liebste jamie!

Ich bin erschüttert! Kann gar nicht mehr dazu sagen, als dass es einen sprachlos macht, was einem alles angetan werden kann.....
Ich ziehe meinen Hut vor deiner Kraft und Stärke!

Alles Liebe!

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 17.12.2016 18:22
von Hypeastrum
Liebe Jamie
Habe gerade deinen unglaublichen Bericht gelesen.

Ich bin erschüttert! :evil:

Was du erleben musstest isch sehr schlimm.

Umso mehr staune ich über dich.
Du hast dich zurück ins Leben gekämpft. :sports:

Du hilfst anderen Betroffenen in diesem Forum.

Das ist STARK!!

Danke dafür!

Ich wünsche dir für die restlichen mg viel Erfolg und möglichst wenig NW.

Liebe Grüsse und noch einen schönen Abend und morgen einen besinnlichen 3. Advent

Liebe Grüsse
Hypeastrum
Was tun uns die sog. Götter in Weiss an???

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 30.12.2016 12:32
von maryrael
ich habe dieses Teufelszeug nur 14 Tage ausgehalten, du bist sehr stark im nehmen und viele Ärzte verstehen einfach nicht, wenn man nicht nach Lehrbuch reagiert. Das macht sie unsicher immerhin haben sie nichts anderes. Da wird man schnell als unbequemer Patient abgetan, Aber Gott sei Dank hast du dich auf dich selbst verlassen. Und das Gift abgesetzt. Ich wünsche dir viel kraft weiterhin. Du bist n Kämpfer du machst das.

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 07.01.2017 12:54
von Juna
Liebe Jamie,

auch ich wollte Dir ein paar Zeilen hier lassen.

DANKE, dass Du so für die Foris da bist und überall hilfst und berätst.

Das was Dir widerfahren ist, ist schon der Hammer. Die Ärztin ist unterste Schublade.
Ich finde es klasse, dass Du es geschafft hast, da raus zu kommen, Deine Mitte zu finden und die Ursache für diese fälschliche Diagnose zu finden. So kannst Du daran arbeiten, das ist echt viel wert.

Ich wünsche Dir, dass es weiter bergauf geht, dass Du Deine Mitte behältst und dass Du Deine Achtsamkeit und Akzeptanz weiter lebst.
Iwie weiß ich nicht so recht, was ich schreiben soll, hoffe das es nicht zu schräg rüberkommt.

GLG
Juna

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 12.01.2017 07:19
von gelblack
Liebe Jamie :(

Ich bin einfach nur sprachlos und immer wieder geschockt, wie wenig Ahnung Ärzte über deren Tools haben, die sie anwenden um dann mit einer unfassbaren Entspanntheit und einer nicht vorhandenen Eigenbetrachtung das Leben ihrer Patienten verwirken. Hilfe- und Ratsuchende werden regelrecht verheizt ohne mit der Wimper zu zucken.

Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du Dich über die Zeit mehr und mehr von diesem Pharmaübel erholst. Und ich kann mich den anderen Foris nur anschließen ... Du bist eine wahre Wissensbank gepaart mit einer riesigen Portion Empathie, aber auch streitbar ... eine der wichtigsten Säulen, die den ADFD tragen ... finde ich

Alles Liebe & ein imaginärer Blumenstrauß
gelblack

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 23.01.2017 08:22
von Luisa1974
:hug: <3 Liebe Jamie,

oh Mensch, was du alles durchgemacht hast.. du hast eine unheimliche Stärke bewiesen, wirklich Wahnsinn.. es ist auch so schwer, wenn andere für das eigene Leid verantwortlich sind, bei mir ist es ja auch so, nicht so schlimm wie bei dir, aber mein Hausarzt... ich habe so das Vertrauen verloren und fühle mich so alleine, weil ich keinem Arzt mehr traue.. und dann rafft man sich auf und geht doch wieder zum Arzt weil man muss und erlebt wieder das Gleiche und kann noch weniger Vertrauen.. wie hast du das denn finanziell geschafft? hast du Freunde, Familie die dir geholfen haben?

ganz liebe Umarmung <3 :group:
Luisa

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 29.01.2017 07:01
von Nicole
Hallo Jamie,
Ich habe mit grosser Interesse deinen Beitrag gelesen u habe ein paar Fragen dazu:
Du schreibst "....als sich mein psychischer Zustand und meine Schlafstörungen zunehmends verschlechterten..." heißt ja für mich du hast ja doch eine Depression (psychischer Zustand)entwickelt...u deshalb wurde dir ja auch zum Sertralin geraten....Sertralin ist ja auch ein Mittel gegen die Posttraumatische Belastungsstörung.....kann man das Medikament wirklich so verteufeln?.....JA...ABER!!!....deine Erfahrungen deckeln sich sehr mit meinen!....Auslöser bei mir war ein Belastungstrauma durch die Geburt meines Sohnes, dadurch PTB ....Serotoninspiegel im Blut war bei 15!!! Also so gut wie leer....Ursache??....habe unzählige AD ( bei den SNRI war ich knapp vorm durchdrehen vor Unruhe u Panik, fast manisch) u Neuroleptika(haben paradox gewirkt) :frust: :zombie: durch...meinen Körper bzw mein Nervensystem so was von durch ein an der gebracht. :o :wirbel: ...täglich innere Unruhe....Diagnose durch den Arzt Depression.. :?: ..meiner Meinung nach aber durch diese Getriebenheit ist der Körper schon so erschöpft dass er die Anzeichen einer Depression hat...nehme aktuell 125mg Sertralin und Diazepam am aus schleichen ( aber durch das Sertralin u die dadurch entstandene Unruhe) klappts nicht. Aber das Sertralin ist noch am erträglichsten..,...nur habe ich Angst das AD zu reduzieren weil ich nicht weiß ob ich doch in ein tiefes Loch falle...bin mir auch nicht sicher ob mir meine Psyche hier einen Streich spielt ( AD reduzieren u schlechtere Stimmung :alptraum: ...)hattest du jemals so richtig psychische Tiefs mit völliger Erschöpfung?....die Frage stellt sich, wie behandelt man eine posttraumatische Belastungsstörung? Lt Arzt gibt hier nur AD....aber diese Unruhe ist echt zermürbend......das Medikamente herumprobieren kanns ja auch nicht sein....meinen Vitaminhaushalt habe ich schon auf Vordermann gebracht ( Vitamin D war bei 15, Ferritrin nix da u Vit B fast leer)....habe schon Aminsäurenprofil erstellen lassen u auch hier was getan....habe mir sogar 5htp u GABA besorgt, aber hat das Sinn??? Hast du hierzu Erfahrungen?
Alles in allem beweg ich mich im Kreis...
LG
Nicole
Sorry lang u viell nicht in diese Rubrik passend

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 05.02.2017 17:24
von Luce
Hi Jamie,
Alles klar nach deiner heftigen Zeit im Dezember ? :? :hug:
@nicole: eventuell mal Leinöl, Yoga, Meditation probieren??
Vorallem bewusst atmen und entspannen hat mir bei den heftigsten Tiefs viel geholfen
Alles liebe luce

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 13.03.2017 18:07
von Kimeta
Liebe Jamie,

ich schreibe mal hier:
Jamie hat geschrieben:Ich bin heute so schlecht beisammen, ich bräuchte selbst Zuspruch.
Interessiert nur keinen, gelle?
Es gab ja schon Reaktionen im Originalthread, und auch mich interessiert es und es tut mir leid :cry: .

Ich vergleiche die hier im Forum erbrachte Arbeit manchmal mit dem, was ich beruflich so erlebe, und der Unterschied in Bezug auf Leistungswillen, Verlässlichkeit und Qualität der Arbeit kann wirklich sehr groß sein. Für Anspruch, Menge und Bedeutung dessen, was besonders Ihr Moderatorinnen hier tut, "verdient" Ihr richtig viel Geld. Nur leider bekommt Ihr es nicht.

Ihr unterstützt so einfühlsam, individuell und gerade im Moment mit so einer unendlichen Geduld statt erziehend oder strafend (was manchmal meine spontane Reaktion wäre :wink:) - ich kann nicht in Worte fassen, wie gut ich das finde. Und das auch noch in Zuständen, die oft nicht besser sind als die derjenigen, denen Ihr helft. Meine Hochachtung!

Ich wünsche Dir sehr, dass bald und dauerhaft bessere Tage kommen :group: .

Viele Grüße
Kimeta

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 22.03.2017 17:42
von Pulsatilla
Liebe jamie,

Auch ich bin völlig erschüttert von Deinem bericht und kann Dir daher nur noch mal um so mehr danken: für Deine kraft und Dein verständnis und Dein engagement!
Wenn Leute behaupten, der Körper holt sich seinen Schlaf irgendwann schon, ist das gelogen - zumindest aus meiner Erfahrung.
Das kenne ich leider, daher weiss ich, WAS Du da durchgemacht hast. Es glaubt einem auch so gut wie keiner, dass man wirklich partout keinen schlaf findet.

Bei mir war es das restless-leg-syndrom. (angeboren und schon in kindheit nicht durchschlafen können). Gleich 2x solche schlaflosen Phasen erlebt von je gut 1 jahr, wo ich auch nimmer stillsitzen konnte. Wenn man überhaupt liegen kann, ist man zwar todmüde, aber NULL schläfrig. Kann es bis heute kaum erklären.. . Erste mal, als zusätzlich das hashimoto ausbrach und SD in überfunktion ging (etwa 1996).. .

Und 2te mal, als das restless-leg-syndrom etwa 2005 / 2006 sooo schlimm wurde, dass ich gar nimmer schlafen konnte. (Max 10 min am stück! Dann 20 min umhergehen, 10 min schlaf, usw). Mir wird jetzt noch anders.. .. .

Obwohl das restless-leg-syndrom paar jahre vorher schon zweifelsfrei festgestellt worden war, faselten IMMER noch alle Ärzte was von "depressionen" und "SSRI" und "kann gar nicht sein".. . Nur ein quasie glücksfall hat mir damals da raus geholfen. ... .

Und BEVOR es festgestellt wurde, sagten dies ohnehin ALLE ärzte!.. Bin bestimmt 8-9 jahre lang mit schlimmen schlafstörungen durch bestimmt 30-40 Arztpraxen gelaufen.. . Obwohl ich immer auch dazu sagte: "fühlt sich an, als sei ein starkstromkabel in unterleib und beinen angeschlossen", hieß es IMMER:

"Sie haben Depressionen".

Wenn ich (damals) verblüfft nachfragte: "aber ich bin sehr aktiv, baue gern möbel und pflege mit liebe meine pflanzen", hiess es:

"Manchmal äussert sich eine Depression eben NUR in schlafstörungen".. .

Da fällt einem gar nix mehr zu ein.. . Tut mir sooo leid, dass dies anscheinend immer noch die EINZIG denkbare Lösung für schlafstörungen ist und Dir so schlimmes widerfahren ist... sowas macht mich wütend!.. . Denn im falle von restless-leg-syndrom ist so, dass alle AD und die meisten NL sogar kontraindiziert sind + die symptome noch verstärken... . Ich hab bloss glück gehabt, dass ich die gottlob instinktiv abgelehnt hatte.. . Werden mir aber nach wie vor, von JEDEM arzt vorgeschlagen, da meine medikation "ja soo furchtbar" bishin "ich ja nur süchtig sei".. .

Es kann sich nach meiner Erfahrung halt keiner wirklich vorstellen, was DAS bedeutet, immer "getrieben" zu sein und keinen Schlaf zu finden, der es nicht selbst erlebt hat.

Eigtl wollte ich Dir keinen roman hinterlassen, nun isses doch wieder so viel geworden. Ich lasse Dir auch einen ganz dicken und liebevollen Drücker da! :hug: und hoffe, Dein körper und Deine seele haben nicht allzu grosse narben von dieser tortur zurückbehalten.. . Und das Du irgendwann trotz trauma auch wieder gut und erholsam schlafen kannst!

Ganz lieb gruss Pulsatilla <3



Ps: ist bei Dir mal RLS ausgeschlossen worden? .. . Nicht das Du hinterher trauma + RLS hast.. . Läuse + flöhe gleichzeitig gibt's ja leider auch ab und an... .

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 20.04.2017 18:05
von Petunia
Liebe Jamie ,

Nun habe ich Deinen Bericht gelesen und er hat mich sehr bewegt. Was Du durchmachen musstest!

Ich bewundere Deine Kraft und Deine Empathie für andere und dass Du nicht aufgegeben hast. Danke dafür!

Und ich bin sicher, dass Du Dir hier trotzdem auch Trost und Zuspruch holen kannst, Wenn es Dir schlecht geht. Mir darfst du jedenfalls immer schreiben.

Dicke Umarmung von Frakkivana/ Beate

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 30.04.2017 09:49
von Ana19
Lieber Jamie,

was für eine Geschichte !
ich finde sie sehr motivierend und ich danke dir dafür das du dein Wissen mit uns allen teilst!

ich bin so froh das ich auf dieses forum durch einen rat beigetreten bin und dieses wissen gibt mir die richtige richtung!

ich weiß ich kann es auch schaffen aus dem AD loch zu kommen und bald wider ans leben an zu knüpfen !

ich schicke dir ganz viel kraft auf deinem heilungsweg!

liebe grüße

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 19.06.2017 07:35
von JuleK
Hallo Jamie,
bin tief berührt,und kann gar nicht in Worte fassen wie furchtbar ich es finde was du erlebt hast.
Ich schicke dir die besten Wünsche für dich und dein Seelenheil.
Judith

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 05.07.2017 11:57
von Reena
Hallo Jamie, ich habe gerade deinen Erfahrungsbericht gelesen und wie bei so vielen Berichten die von solchen Ereignissen berichten, stehen mir einfach nur die Haare zu berge!!! Es ist unfassbar, was die Ärzte und vor allem Psychater und Neurologen machen, ich habs ja auch erlebt. Zum einen wird wirklich alles, wofür die keine Erklärung haben als Depression diagnostiziert, was totaler schwachsinn ist! Ich hab auch 1000 mal diese Diganose bekommen, dabei ist das, was ich habe absolut keine Depression, sondern schwere Erschöfpungszuständen. Wenn man dann ausnahmsweise mal auf einen guten Arzt trifft, der einen wirklich wahrnimmt, dann kommen plötzlich Aussagen wie, nein, sie haben doch keine Depression, das passt überhaupt nicht auf sie... und zum anderen werden dann alle Nebenwirkungen, die man durch die Medikamente hat auch noch auf den eigenen "psychischen" Zustand geschoben. Mir wurde sogar in einer Klinik gesagt, als ich ein weiteres Medikament ablehnt, "sie wollen ja gar nicht gesund werden"... naja. Wir können nur hoffe, dass irgendwann dieser Medikamentenwahn ein Ende nehmen wird.
Zu deinen Schlafstörungen wollte ich noch sagen... hast du mal eine Traumatherapie gemacht mit den Methoden PITT (Luise Reddemann) und EMDR? ich kenne Menschen, denen dies sehr geholfen hat bei Schlafstörungen. Ich möchte das jetzt auch beginnen. Außerdem hilft mir sehr regelmäßige Meditation und Bodyscan, das ist eine spezielle Entspannungstechnik (die einzige, die bei mir irgend eine Wirkung zeigt). Falls du mehr darüber wissen möchtest, sag einfach bescheid!
Als ich vor einigen Jahren, allerdings noch vor meiner Medikamentenzeit mein Examen gemacht habe, habe ich sehr ähnliche Zustände durchgemacht, wie du sie beschreibst... ich hab auch über längere Zeit höchstens 2-3 Stunden geschlafen. Zum Glück bin ich damals noch nicht zum Arzt deswegen... aber gar nichts tun löst das Problem dann leider auch nicht und es ist eben gar nicht so leich echte, gute und hilfreiche UNterstützung zu finden... Grüße!

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 05.07.2017 19:13
von Jamie
Hallo Reena :), hallo alle :)

danke für dein Mitgefühl, ich danke auch allen anderen VorschreiberInnen für ihre empathischen Worte.

Ja, ich kenne EMDR und habe EMDR auch als Traumatherapie 2006 gemacht. Allerdings im Zustand akutesten Sertralinentzugs; ich fürchte, das war weder zielführend noch sinnvoll noch hat es geholfen.
PITT habe ich noch nicht gehört, werde mich aber mal schlau machen.
Meditationen sind super und die praktiziere ich auch; Bodyscan kenne ich ebenfalls, praktiziere ich in abgewandelter Form.

Danke für deine Gedanken und deinen Input.
Schreibst du uns mal in deinem eigenen Thread (hast du einen?), was das mit deiner Schlaflosigkeit auf sich hat?

Grüße
Jamie

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 05.07.2017 21:15
von Reena
Hallo Jamie,

ich kann mir auch gut vorstellen, dass in einem akutesten Sertralinentzugs wahrscheinlich keine Therapie irgendwelche tiefgreifenden Erfolge hat, außer dass man jemanden hat, der einen durch solche krassen Symptome hindurch begleitet!
Am besten scheint wohl zu sein, wenn man einen Therapeuten findet, der sich mit PITT und EMDR auskennt... PITT Therapeuten sind nicht so ganz leicht zu finden, es gibt eine Liste, die man beim INstitut erfragen kann, aber da stehen leider lange nicht alle drauf, die mit PITT arbeiten... ich hab einfach meine Stadt und PITT eingegeben und nach viel suchen habe ich dann doch einige gefunden, die auch von der Kasse bezahlt werden.

Ich hab zwar einen Thread
http://adfd.org/austausch/viewtopic.php?t=12653
aber es ist kein Erfahrungsbericht. Den schreibe ich gerne, wenn ich noch weiter unten bin mit dem Quetiapin. Meine Schlafstörungen habe ich schon sehr lange, schon lange vor den Medikamente bzw. die Schlafstörungen waren der Auslöser, dass ich Medikamente bekommen habe... sie haben in stressigen Prüfungsphasen ihren Urspung und haben sich dann gefestigt in einer für mich sehr schwierigen Beziehung...
Jetzt, mit 40mg Quetiapin kann ich einigermaßen schlafen, es ist allerdings sehr labil und es darf dafür im Leben nichts belastendes oder stressiges geshehen, schon gar nicht, darf mein Wecker morgenes klingeln, sonst bin ich gleich schon ein paar Stunden vorher wach ;-) (allerdings nicht wie ein "normaler" Mensch, ich weiß allerdings nicht, ob das nun noch die Wirkung von den 40mg ist oder ob ich inzwischen besser schlafen kann...
VIel mehr kann ich zu dem Thema auch leider gar nicht sagen...
Wie schön, dass dir auch Meditation und Bodyscan hilft... schlussendlich haben wir es nur selber in der Hand, auch wenn der Weg nicht leicht und oft auch nicht eindeutig ist.
Ich schick dir hier mal noch den Link von meinem Bodyscan, er geht ca 40 Minuten... und ich finde die begleitende Stimme sehr angenehm ;-)
http://www.linda-lehrhaupt.com/begleite ... body-scan/

Ach so, und hier noch der Link von PITT
http://www.luise-reddemann.de/home/

Liebe Grüße Reena

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 12.07.2017 09:33
von SeventhWave
Guten Morgen!

In den letzten Tagen, in denen ich hier viel gelesen habe, ist mir vor allem die Qualität deiner Beiträge aufgefallen. Und jetzt hab ich den Thread hier durchgelesen.

Mir wird regelrecht schlecht dabei; der Geschmack dieser Nächte, in denen man in Hut und Mantel durchs Wohnzimmer tigert, den Finger immer am Schnellruf für den Notdienst und mit einem Bein in der Geschlossenen, obwohl man weiß, dass dann nur noch schlimmer werden kann.

Ich habe keine Ahnung, woher du für so einen langen Zeitraum diese unmenschliche Kraft mobilisieren konntest. Eine grauenhafte Geschichten.


Alle was hiernach schreiben wollte, habe ich wieder gelöscht, ich finde dafür keine Worte.

Aber es hat was mit Respekt, Hochachtung und tiefem Mitgefühl zu tun.

Alles gute

¯¯│ ┼ ├┤

Re: Jamies Erfahrungsbericht: Sertralin / SSRI- induzierte Akathisie

Verfasst: 13.07.2017 09:26
von stubi
Liebe Jamie,

ich möchte dir hiermit sagen, das ich dich unwahrscheinlich bewundere und meinen Hut vor deiner Stärke ziehe.

Nur mein lesen hier im Forum haben mich davon abgehalten, erneut zu PP zugreifen.

Vielen Dank das ihr hier so gute Arbeit leistet.

Liebe Grüße
Renate