Hallo,
nun bin ich knapp 10 Tage daheim, hab mich hin und hergeruckelt und versuche es nun doch mit einer Zusammenfassung.
Ich möchte mich sehr bei allen bedanken, die nach mir gefragt und mir ein "ich-denk-an-dich" geschickt haben.
8 Wochen war ich in einer psychosomatischen Station einer Uniklinik mit Schwerpunktgruppe Schmerzen.
8 harte Wochen waren es.
Es fing damit an, dass mich der Aufenthalt schon ab dem ersten Tag retraumatisierte und massiv antriggerte.
Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass es eine Uniklinik war oder an dem ganzen Drumherum, aber auf jeden Fall war ich sehr nervös und ängstlich und in ständiger Alarmbereitschaft.
Mir ist da dann auch schon klar geworden, dass meine PTBS viel schlechter bearbeitet ist als ich gedacht habe und dass Handlungsbedarf besteht.
Kurz davor war ich ich eine Schilddrüsenüberfunktion gefallen und das setzte mir weiterhin massiv zu, denn ich kämpfte mit doppelter Unruhe, Panik, Herzrasen usw.
Die Ärzte weigerten sich mir das L-Thyroxin auf Null zu setzen und reduzierten von 62,5 auf 25 runter. Doch ich wurde nicht ruhiger. Ich habe geschwitzt wie blöde, hatte einen irren Durst, musste ständig mit Durchfall aufs Klo rennen und dazu diese wahnsinnige Unruhe und Herzklopfen.
Ich musste volle 14 Tage die Ärzte anlügen und die Dosis auf 0mg setzen (tat so als ob ich 25 my-g nehme), eher sich mein Wert erholte.
Sie waren nicht kooperativ genug mir zuzugestehen, dass ich meinen Körper besser kenne als sie. Mittlerweile bin ich bei den anvisierten 25 my-g angekommen und die Werte sind stabiler.
Durch die massive Retraumatisierung wurde ich an Tag 3 sofort krank (Urogenitalinfektion) und musste Antibiotikum einnehmen, an Tag 4 stürzte ich auf glattem Boden und schlug mir an der Türkante Auge, Wangenknochen und Oberlippe auf.
Der Besonnenheit der Dienstärztin war zu verdanken, dass ich mich nicht Stunden mit Verdacht auf Gesichts- oder Schädelfraktur (die ich nicht hatte, das habe ich gespürt) in die Notaufnahme für ein CT setzen musste.
Man kann also sagen, ich bin nicht geschmeidig in diesen Aufenthalt reingeglitten, sondern geradewegs krachend reingestürzt, versehrt an der Seele und dann auch sichtbar im Gesicht.
Die ersten 2 Wochen habe ich jeden Tag nur geschaut, ob ich bleiben kann oder abbrechen muss.

Glücklicherweise hatte ich sehr verständige Therapeuten und Ärzte.
Die Belegschaft wusste, dass Klinikumgebung meine PTBS triggerte und man hat sich wirklich um mich bemüht.
So kam ich in den Genuss, bei der Oberarztvisite (das heißt teilweise 2 Stunden auf den Stühlen sitzen und warten) immer bei den ersten drei zu sein - sie hatten mitbekommen, dass ich massive Panikattacken hatte, wenn diese Visite anstand.
Und meine Therapeutin war m. W. n. nur halbtags beschäftigt, sodass ihre Patienten auch immer bei den ersten waren - danach kamen dann die anderen Therapeuten mit ihren Patienten dran (wurde sozusagen blockweise per Therapeut abgefertigt).
Die Liste wurde vorher festgelegt, wer wann dran kam und dann konnte man sich moralisch drauf einstellen, kurz, mittel oder lang warten zu müssen.
Die ersten zwei Wochen führte ich auch noch Diskussionen um SSRI; der Oberarzt hätte sie mir nur zu gerne gegeben, aber ich habe mehrfach deutlich ihm als auch meiner Ärztin als auch Therapeutin gesagt, dass ich mich in meinem Leben nie kränker und "weniger-ich" gefühlt habe als unter Sertralin und dass dies kein Verhandlungsgegenstand für mich sei.
In die Bedarfsmedikation (Atosil, Amitriptylin) habe ich eingewilligt.
Einige Male habe ich mir etwas geben lassen, manchmal auch eingenommen, manchmal in den Abfluss gekippt. Ich dachte das Spiel spiel ich jetzt einfach mit.
Entgegenkommen für Entgegenkommen sozusagen.
"Gute Patientin sein" (schwierig war ich ja schon genug

).
Nach zwei Wochen beruhigte ich mich langsam (auch wegen der radikalen Nulleinnahme meines L-Thyroxins) und konnte ab dann auch besser therapeutisch arbeiten.
Mir ist schmerzlich klar geworden, dass das letzte Jahr nicht verdaut ist, angefangen mit dem Tod meines Vaters über den Tod eines meiner Tierchen und dann weitergehend mit diesen unfassbaren Schmerzen und dass eben die PTBS viel aktiver ist als gedacht.
Ich habe schon in der Klinik angefangen in die Wege zu leiten, dass ich mich ambulant hier nach einem Therapeuten umsehen muss. Ich denke nicht, dass es weiter ohne geht.
Da ist zu viel zusammen gekommen.
Die Gruppe, in der ich war, wurde coronabedingt langsam aufgestockt. Einige Monate hatte es nur 6 Patienten gegeben (6 Zimmer), mit mir fing man an, auf die Normalzahl von 12 Patienten aufzustocken.
Die meisten waren 50+ und in der Regel litten sie an Fibromyalgie bzw. Rücken / Knie / Hüfte / Schulter und vermurksten Rücken-OPs.
Einige Polyneuropathie-Patienten waren auch dabei, auch small-fibre-Fibromyalgie-Patienten.
Ich mit meinem atyp. Gesichtsschmerz und Trigeminusneuralgie und burning mouth syndrome war leider eine Exotin.
Ich fand auch niemanden, der wie ich unter heftig einschießenden Schmerzattacken litt, die mich nach wie vor aus der Fassung bringen; den meisten waren meine Schilderungen fremd bis nicht nachvollziehbar, wenngleich der ewin- oder andere schon Mitgefühl hatte.
Überhaupt war es nicht so leicht, da sein Plätzchen zu finden, denn irgendwie haben die Menschen wohl gespürt, dass ich relativ gebildet bin und sie selbst haben sich durchweg alle wohl anders eingeordnet.
Ich denke ja nicht in solchen Kategorien, aber irgendwann habe ich schon gemerkt, dass da eine Lücke klafft und damit meine ich gar nicht mal so die berufliche Stellung oder Ausbildung, sondern eher auch ein gewisses soziales Milieu.
Je anzüglicher und bescheuerter die Witzchen und Kommentare wurden, desto lauter wurde gelacht.
Anfangs saß ich dann da noch mit dabei, aber irgendwann wurde es mir einfach zu doof.
Ich bin keine Spaßbremse, aber manche Dinge wurden mir wirklich zu blöd und außerdem war ich irgendwann auch zu fertig, das noch lustig zu finden.
Bin dann aufgestanden und gegangen.
Mir ging es kontinuierlicher ab Woche 5 schlechter.
Mein Gesichtsschmerz, der bis dahin auf einer stabilen 2 dümpelte, kletterte auf 4, 5 und 6 hoch, bei Attacken auf 8 bis 9.
Monate hatte ich nicht mehr solche Schmerzen gehabt und jetzt habe ich sie immer noch, 10 Tage daheim. Der Körper beruhigt sich aktuell nicht richtig.
Mit ansteigendem Stresspegel in meiner Therapie, der ungünstigen Gruppenkonstellation und anderen Faktoren, wuchs auch mein Schmerz wieder an.
Zum Schluss war ich dann wieder bei meiner Morphin-Mundspüllösung.
Ich könnte jetzt schon wieder heulen, wenn ich daran denke.
Unbegreiflich, wie es dazu kommen konnte.
Denn der Hauptgrund, weswegen es mir so beschissen geht, den habe ich noch nicht genannt.
Er lag bei meiner Zimmernachbarin.
Die erste Woche kamen wir noch ganz gut miteinander aus, doch dann hat X aus mir unerfindlichen Gründen beschlossen, mich nicht mehr gut zu finden und ab dann herrschte nur noch Disharmonie auf dem Zimmer.
Ich bin also über volle 6 Wochen hinaus ignoriert worden.
Schon mal in einer Psychosomatik gewesen ohne die Möglichkeit, sich im eigenen Bett / Zimmer wohlzufühlen?
Ich war nur noch auf der Flucht.
Ich weiß nicht, was ich der jungen Frau getan habe und es ärgert mich maßlos, dass ich es auch nicht in Erfahrung bringen konnte, aber irgendwann fing sie einfach an mich abzulehnen.
Sie war eh schon schwierig; morgenmuffelig, launisch, und passiv-aggressiv, aber dann herrschte nur noch Schweigen.
Kann man sich das vorstellen fast 6 Wochen kaum mehr als "Morgn" hinzukriegen? Man hat es nicht mal mehr zu "Gute Nacht" oder "Schlaf gut" geschafft.
Ich bin jetzt noch völlig konsterniert und verstört darüber.
Je länger das anhielt, desto kränker wurde ich.
Ich thematisierte es zwischendrin mal hier und da in der Therapie, aber da mich andere Themen auch belasteten, habe ich das immer wieder weggeschoben.
Dachte, ich käm irgendwie klar, aber kam es nicht.
Mit dem Effekt, dass ich in Woche 6-7 wirklich irgendwann so sauer, frustriert und wütend wurde, dass ich gut und gerne meine Zimmernachbarin gelyncht hätte.
Als mir das klar wurde, war aber schon alles zu spät.
Der Schmerz tobte bereits und ich mit.
Versuche, noch eine Mediation (Zimmerwechsel sind ausgeschlossen) zu erwirken, endeten damit, dass sie auch nicht wollte.
Ich bin also nicht gegangen, ich bin geflohen.
Mit einem schei*Gefühl im Bauch und so viel Frust und Enttäuschung.
Ich weiß gar nicht, über was ich mich mehr ärgern soll - diese unmögliche Person oder über mich selbst, weil ich so lange stumm gelitten habe.
Sämtliche Versuche, freundlich zu ihr zu sein und Licht und Liebe zu ihr zu schicken, endeten im Nichts und dass ich es einfach nicht kapiert habe, ärgert mich maßlos.
Wenn ich das reflektiere, war ich über 6 Wochen einem Egospiel und Energieraub ausgesetzt und habe zu spät begriffen, was läuft.
Irgendwas in dieser Frau hat Krieg gewollt, aber ich wollte nicht mitmachen.
Ich hätte mich dennoch irgendwann anfangen müssen zu wehren und stattdessen bin ich ins Opferdasein gerutscht und in eine schreckliche Form von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein.
Da ich als Teenie in der Schule (bis zu einem Schulwechsel) gemobbt worden bin, ist meine Strategie normalerweise, die Klappe zu halten und mich zurück zu ziehen. Bloß keine Angriffsfläche bieten.
Was aber tun, wenn die eigene Existenz die Angriffsfläche für jemanden ist?
Ich habe mich am Ende so gefühlt, als würde man mir in diesem Zimmer meine Lebens- und Existenzberechtigung absprechen und das, obwohl wir nicht mal stritten.
Das muss man erst mal hinkriegen.
Im normalen Leben ziehe ich mich zurück, wenn es Dissonanzen gibt, die mir nicht leicht zu lösen scheinen, lecke dann meine Wunden und versuche es dann irgendwie anders oder meide diese Person fortan - das ging hier aber nicht und wenn ich für die Zukunft eines gelernt habe, dann das: So etwas kann und darf ich mir nie mehr bieten lassen. Ich mache früher den Mund auf und versuche mich zu behaupten.
Dann kann ich mir wenigstens sagen, dass ich es versucht habe.
Es macht mich immer noch fassungslos, wenn ich darüber nachdenke.
Das hat irgendwann eine so schräge Eigendynamik bekommen und ich habe das zwar unterschwellig gespürt, war aber zu feige, auf den Tisch zu hauen.
In der letzten Woche war ich soweit, 4 Tage vor Ende tatsächlich abzubrechen und zu gehen, habe es aber dann doch durchgezogen.
Tja, und jetzt liege ich hier daheim, mit einem krassen körperlichen Burnout und vielen inneren Schmerzen (Seele) und kann eigentlich nur noch zwischen Couch und Bett herumeiern, so entkräftet bin ich.
Mein Mund brennt und hat sich nicht mehr beruhigt und ich bin ziemlich aufgewühlt.
Ich würde gerne was Positiveres schreiben, aber das ist der Stand.
Ich sende euch liebe Grüße
Jamie