Blue Eye hat geschrieben: ↑10.01.2020 15:24
Liebes Forum, liebe ADFDler,
Ein Frohes Neues Jahr wünsche ich Euch!

Es sind jetzt bald zwei Jahre her, seitdem ich meinen letzten Post abgesetzt habe, aber es ist mir ein großes Bedürfnis Euch nochmal schreiben. Ich habe Tavor seit Januar 2018 erfolgreich abgesetzt und auch meine darauf folgende schwere ein Jahr andauernde (Entzugs-) Depression überwunden. Es geht mir heute wieder gut und gehe gestärkt und gefestigt aus dieser Zeit hervor. Es war ein langer, harter und leidvoller Weg, der mich und meine Angehörigen immer wieder an die Grenzen gebracht hat. Damals hätte ich hätte niemals geglaubt, dass ich das Leben heute wieder so genießen würde. Ohne das Forum, das daraus gewonne Wissen und Eure wertvollen und Mut machenden Ratschläge hätte ich es nicht geschafft! Deswegen möchte ich mich bei Euch bedanken und meinen Erfahrungsbericht mit Euch teilen.
Meine Botschaft an Euch.
BITTE GEBT NICHT AUF!! IHR KÖNNT UND WERDET ES SCHAFFEN!
DAS GEHIRN HAT UNGLAUBLICHE FÄHGIKEITEN SICH WIEDER NEU ZU ORGANISIEREN.
BENZOS UND ANTIDEPRESSIVA SIND KEINE LÖSUNG.
SUCHT EUCH EINEN GUTEN THERAPEUTEN UND RÄUMT EURE SEELE AUF.
MACHT VIEL SPORT!
Was geschah:
Wegen starker Schlafstörungen nahm im Dezember 2017, nur 3 Wochen 1-2 mg Tavor/ zur Nacht. Wirkte anfangs gut, jedoch schnell Entzugssymptome am folgenden Nachmittag wie ein Tremor im Zeigefinger, Seufzen, Weinerlichkeit, Unruhe. Deswegen setzte Tavor im Laufe des Januars 2018 ab. Als ich Ende Januar /2018 auf Null war kam es zu
1) Massiven Absatzsymptomen wie Bewegungsunruhe, Akathasie, Freezings (plötzliche Bewegungsblockaden vor Treppen etc.), Wut/Agitiertheit, das Gefühl den Verstand zu verlieren, hysterische Anfälle, Schreien, Sprachstörungen, Denkblockaden, Orientierungslosigkeit, Verbigeration (Aneinanderreihung und endlose Wiederholung sinnloser Silben und Wörter)
2) Schwere Entzugsdepression: Kein Antrieb mehr, starkes Morgentief, Gefühllosigkeit, kann nicht weinen mittags Schwindelgefühle, nachmittags verzweifelt, abends häufig besser. Ich jammerte sehr viel, hatte große Schuldgefühle, Angst und große innere Unruhe. Konnte nicht mehr alleine sein und muss ständig mit irgendwas beschäftigt sein ("Agitierte Depression")
Meine weitere Behandlung
Mai 2018: Aufgrund der Schwere der Symptome glaubte ich, dass eine einfache psychosomatische Klinik nicht ausreichend war und wies mich selbst in die Psychiatrie ein. Ich hielt mich selbst für schizophren, was nicht der Fall war und mir auch seitens verschiedener Ärzte immer wieder bestätigt wurde. Die angenehme Atmosphäre in der Klinik und die Gespräche und er Austausch mit den Mitpatienten wirken stabilisierend auf mich, aber ich hatte immer noch eine schwere Depressionen. Nach 4 Wochen stieg der Druck, es doch endlich mal mit Antidepressiva zu versuchen. Kurz nach der Einnahme von Antidepressiva (SSRI) zunächst erhöhter Antrieb und Unruhe doch nachts dann Brennen der Fußsohlen, erhöhter Puls, das Gefühl "Feuerwasser" läuft durch meine Adern, starkes Schwitzen, Dumpfheit und Wortfindungsstörungen, konnte keinen klaren Satz mehr sprechen, Gefühllosigkeit. Als Gehirn- und gefühlsloses Monster will ich nicht leben!! Ich entließ mich nach 5 Wochen selbst aus der Klinik - rückblickend die richtige Entscheidung. Doch wie weiter?
Juni 2018: Eine gute Therapeutin gefunden, die mir meine Schuldgefühle genommen hat und mir wie ein Coach dabei geholfen hat, mein Leben neu zu organisieren. Parallel dazu Beginn einer Hypnosetherapie. Der Therapeut hat es geschafft, mich wieder mit den gesunden Anteilen meiner Psyche in Verbindung zu bringen. Unter Hypnose fühlte ich mich glücklich und gesund. Die Psyche hat einen großen Einfluss und kann das Gehirn gestalten!
Juli 2018: Ein unabhängiger Gutachter (Professor der Neurologie) bestätigt, dass die Lorazepam-Absatzsymptome bis zu 2 Jahre anhalten können! Endlich mal jemand, der die Wahrheit sagt! Ich muss nur Geduld haben...
August 2018: Die Verbigeration geht langsam in Zwangsgedanken über. Ich muss nicht mehr immer die gleichen Sätze sprechen, sondern ich denke mir "nur noch" verrückte zusammensetze Wörter aus, die alle mit dem gleichen Buchstaben anfangen
September 2018: Es gibt immer mehr Tage am Stück, an denen ich mich wieder "normal" fühle, aber leider auch immer wieder mal Rückfälle, vor allen Dingen, wenn ich mich über etwas aufrege.
Oktober 2018: Der Durchbruch !! durch 2 Maßnahmen
1) Ich nehme Hormone (Östrogenpflaster), die Weinanfälle hören endlich auf. Habe die Hormone nur wenige Monate genommen, aber es war eine Initialzündung für mich. Ich nehme heute keine Hormone mehr nur noch frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel wie 5-HTP und Tryptophan.
2) Ich schreibe einen Aufsatz über das menschliche Gehirn. Diese Aufgabe sich hatte meine Therapeutin für mich ausgedacht, um mein Gehirn zu beschäftigen und aufgrund meines starken Interesses an Neurophysiologie. Durch die Beschäftigung komme ich zur Ruhe, ich grüble nicht mehr soviel, Gleichzeitig bekomme ich Zuversicht, dass ich doch noch einen Beruf ausüben kann.
November / Dezember 2018. Weitere Stabilisierung, ich gehe wieder auf die erste Party unter Leute.
Januar -März 2019: Berufliche Wiedereingliederung seit April 2019 wieder full time im Job
Heute Januar 2019: Erfolgreich im Job, genieße das Leben und Zusammensein mit Freunden, Spaziergänge in der Natur, Sport, Spiritualität
Es ist nichts geblieben! Alle Symptome sind wieder verschwunden und die Lebensfreude ist wieder da! Außer ok, mein Kurzzeitgedächtnis lässt mich manchmal in Stich, ich verlege manchmal Dinge und kann nicht mehr so gut Multi-Tasken. Aber das schiebe ich jetzt mal aufs Alter.
Ich danke, meinem Partner, der mich in dieser furchtbaren Zeit nicht verlassen hat und mir immer zur Seite stand

und meinen Freunden, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen und mich im Glauben gestärkt haben. Ich danke meiner inzwischen verstorbenen Mutter, die in dieser schweren Zeit unendlich stark war, mich immer wieder aufgebaut hat und mich als "spannendes Gehirn-Phänomen" sah. Ich danke dem Forum, ohne das ich nicht den Mut gehabt hätte meinen eigenen Weg zu gehen und den Therapeuten, die mich behutsam wieder zu einem gesunden Menschen aufgebaut haben. Und last but not least meinem Arbeitgeber, der ein Jahr auf mich gewartet hat. Das Zusammensein mit den Kollegen tut mir sehr gut.
Ich sehe positiv in die Zukunft und ein gesundes Jahr 2020. Das wünsche ich Euch allen von Herzen