Hallo,
ich wollte mich noch mal zurück melden, da ich inzwischen den Absetzprozess mehr oder weniger erfolgreich beendet habe und einiges in der Zeit passiert ist. Vielleicht ist mein Erfahrungsbericht für den einen oder anderen, der auch Doxepin absetzt/abgesetzt hat ja interessant.
Ende Februar, Anfang März 2019 war ja der letzte status, den ich hier mitgeteilt hatte, dass ich innerhalb weniger Wochen in zwei Schritten von 30mg auf 20mg reduziert hatte, kurz bevor ich im März einen neuen Job begann. Das war ein Fehler. Die Absetzsymptome kamen Zeitverzögert mit dem Beginn des neuen Jobs, der mir überhaupt nicht gefiel, und mir ging es innerhalb weniger Tage - auch durch den Arbeitsstress und die neuen Anforderungen - so schlecht, dass ich den Job wieder kündigen musste. Angstzustände, Intrusionen, emotionale Flashbacks, Gefühl sich im Schmerz und in der Angst aufzulösen, massives Überforderungserleben, völlige Energielosigkeit, depressive Verzweiflung und viele schwer zu besschreibende Symptome einer komplexen PTBS waren neben den üblichen Absetzsymptomen wie Brainzaps, Schlaflosigkeit, Albträume, Gefühl wie auf Drogen, Verwirrung, Benommenheit, Brainfog, Verlust von emotionaler Regulationsfähigkeit, Überflutungserfahrungen mit Trauer, Ängsten u.Ä., Verdauungsprobleme usw meine ständigen Begleiter.
Ich Entschied mich letztlich dafür, die kommende Zeit für das Ausschleichen zu nutzen und keinen anderen neuen Job mehr zu suchen. Die ganze Zeit über war ich in der Misere, dass ich ganz klar das Gefühl hatte, dass das Doxepin mir nur massiv schadet, ich keinen Nutzen davon habe und mich davon abhält, wieder Stabilität zu erreichen und in meine Kraft zu kommen. Und es machte mich depressiv, was ich in der Form vorher nie war. Trotzdem musste ich es ja langsam ausschleichen, ich hatte ja gesehen, was der zu große Absetzschritt in Kombination mit Existenzängsten mit mir gemacht hatte. Ein Dilemma, ich habe regelrechten Hass auf Doxepin entwickelt.
Nach der Reduktion auf 20 mg, blieb ich etwa 6-7 Wochen auf dieser Dosis, aber es stellte sich keine Verbesserung ein. Vormittags, bevor ich das Doxepin nahm, ging es mir noch einigermaßen ok, aber 2-3 Stunden nach jeder Einnahme, nahm das Fiasko täglich seinen Lauf. So erledigte ich stets bis zum Mittag noch Dinge im Haushalt, weil ich wusste, dass ich ab Nachmittags nur noch schwer depressiv und benommen im Bett liegen konnte und das Gefühl hatte, von einem LKW überrollt zu werden. Teilweise immer wieder Angstvolle Krisen und Zweifel, ob es wirklich nur am Doxepin liegt, oder ob ich gerade in eine schwere depressive Episode hineinrutsche. Gefühl von Ohnmacht, ausgeliefert sein, fehlende Selbstwirksamkeit, ich konnte die Situation einfach nicht ändern und sie verbesserte sich nicht. Irgendwann entschloss ich, dass es so nicht weitergehen kann, ich kam nicht vom Fleck und litt dauerhaft. Also reduzierte ich von 20mg auf 19mg, im Wissen, dass es dadurch entweder besser oder noch schlimmer werden würde.
Es passierte das, was ich im Inneren eh die ganze Zeit wusste. Mein Zustand verbesserte sich deutlich. Nun hatte ich die Bestätigung, dass mein miserabler Zustand hauptsächlich vom Doxepin verursacht war. Nach einigen Tagen traten wieder diverse Absetzsymptome auf, aber insgesamt ging es mir wesentlich besser. 2-3 Wochen nach der Reduktion fühlte es sich jedoch so an, als ob ein Antidepressivum anfängt zu wirken, ich war wieder völlig "verklatscht", drogenmäßig verballert und der Zustand verschlechterte sich wieder, also reduzierte ich wieder die Dosis.
Dieses Muster setzte sich bei jeder Reduktion fort. Zwar wusste ich, dass ich dem Gehirn nach jeder Reduktion eigentlich mehr Zeit geben müsste, um sich an den neuen Medikamentenspiegel anzupassen, aber die Erfahrung hatte ja gezeigt, dass dies auch nach 6-7 Wochen leiden nicht passierte und ich das Doxepin grundsätzlich einfach nicht gut vertrug. Ich hätte dieses ewige, elendige Dahinsiechen nicht ausgehalten, wenn ich immer 6 Wochen Pause zwischen den Schritten gemacht hätte, in denen sich der Zustand nicht bessert. Also reduzierte ich jeweils nach 2-3 Wochen, wenn die Wirkung wieder begann, eklig zu werden, das war für mich die einzige Möglichkeit damit umzugehen. Von April bis August war ich damit beschäftigt. Der Prozess war in etwa (ganz genau kann ich es nicht mehr sagen) so: 20mg -> 19 -> 16 -> 15 -> 12,5 -> 10 -> 8 -> 6 -> 5 -> 4 -> 3 -> 2 -> 1 -> 0,5 -> 0,3 -> 0 mg. Gegen die widerlichen Zustände/Absetzsymptome/Wirkung der neuen Doxepindosis half nur weiteres Reduzieren.
Mein Absetzprozess war demnach nicht konventionell und nach den Richtlinien, die hier empfohlen werden, aber nur so hat es für mich funktioniert. Offenbar muss jeder für sich selbst herausfinden, wie es für ihn funktieren kann. Es war mit ganz erheblichen Leid verbunden, mit Wut und Tränen, Verfluchen der Pharmaindustrie und Verzweifeln, mit einem halben Jahr Ausnahmezustand und gefühlten Gehirnschaden, mit immer wieder kehrenden Zweifeln und Ängsten.
Jetzt bin ich seit knapp 7 Wochen auf 0 mg. Der letzte finale Absetzschritt war dann noch mal sehr heftig. Wieder kamen nach 2 Wochen extreme Wellen und all die Zustände, die ich bereits beschrieben habe, nur dass ich ja jetzt nichts mehr dagegen tun konnte (weitere Absetzschritte). Zur Zeit ist es so, dass Es Welllen von 4-5 Tagen gibt, in denen ich mich fühle als hätte ich 40 grad fieber, einen 20kg schweren Kopf und 2,5 Promille Alkohol im Blut nur ohne angenehmen Rausch

Ich kann dann kaum noch etwas machen, bin völlig kraftlos, mein IQ und meine Konzentrationsfähigkeit ist gefühlt halbiert, und die Gefühle sind kaum noch zu steuern, morgens fühle ich mich, als ob die Welt unter geht und ich verfluche die Tatsache, dass ich diese Substanz genommen habe. Es ist immer wieder ein Kampf, bewusst in die völlige Akzeptanz zu kommen, denn nur so lassen sich die Wellen aushalten. Und dann gibt es Fenster von 2-3 Tagen, in denen ich mich relativ normal fühle.
4 Wochen nach 0mg begann ich erneut einen neuen Job, leider wieder äußerst ungünstiges Timing, ging aber nicht anders, die Chance musste ich nutzen. Diesmal nur eine halbe Stelle in einem Arbeitsfeld, was mir wirklich Spaß macht, ich bin jetzt in der dritten Arbeitswoche und es macht mir Freude, wieder autonom für mich selbst sorgen zu können, und ich kann es gut bewältigen, trotz der nach wie vor bestehenden Absetzsymptomproblematik. In den Wellen hatte ich teilweise Angst, dass ich in einen protahierten Entzug gerate, weil es 7 Wochen nach 0mg immer noch so heftig ist teilweise und weil sich vielleicht durch die kurzen Pausen zwischen den Reduktionsschritten die Absetzsymptome "aufgestaut" haben und sich nah 0mg dann erst so richtig entladen. Insgesamt wirds aber doch besser, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, nachhaltig Schaden durch das Doxepin genommen zu haben. Ein absolutes Teufelszeug. Rückblickend muss ich sagen, das war die widerlichste Substanz, die ich je genommen habe und das Absetzen war eine der schwierigsten Erfahrungen meines Lebens (Sertralin oder Escitalopram abzusetzen war ein Witz dagegen, Mirtazapin war auch heftig aber kein Vergleich zu Doxepin) und ich habe in den 9 Jahren komplexe PTBS schon viel erlebt...
Mein Fazit:
Trotz der heftigen Absetzproblematiken ging es mir seelisch insgesamt mit sinkender Dosis immer besser und ich bin heilfroh, dieses Gift endlich los zu sein. Es war ein Befreiungsschlag, ein Kampf für meine Freiheit und Unabhängigkeit, ich bin oft wieder gefallen, immer wieder aufgestanden, es hat eine unglaubliche Kraft,Geduld und Akzeptanz erfordert und den starken Willen, endlich (wieder) medikamentenfrei und echt leben zu wollen. Es war Hart und schwer. Auch meine Partnerin war in manchen Phasen unglaublich wichtig für mich, ohne den sicheren Hafen einer guten Partnerschaft hätte ich es nicht geschaffen und auch nicht ohne das Wissen, dass ich mich in den Prozess reinfallen lassen kann, ohne Angst haben zu müssen, ins Bodenlose zu fallen (Wohnungsverlust, Kein Geld, usw). Für meine existenziellen Bedürfnisse war ja stets gesorgt, zur Not auch ohne mein Zutun. Dafür bin ich unglaublich dankbar. So kann ich für mich selbst nur sagen:
Nie wieder Antidepressiva.
LG
Wachstum