auch ich bin inzwischen AD-frei (Escitalopram und Trimipramin zum Schlafen).
*** Warum habe ich Antidepressiva genommen ***
Bei mir wurde eine mittelschwere depressive Episode diagnostiziert. Ein Arzt verschrieb mir daraufhin Sertralin (nicht vertragen, wahnsinnige Kopfschmerzen) und später Escitalopram sowie Trimipramin zum Schlafen.
Ich hatte die Medikamente nur rund 2 Monate genommen, weil ich Escitalopram schon bei 7 mg nicht vertragen hatte. Umso mehr war ich schockiert, dass ich bereits nach so kurzer Zeit von dem SSRI körperlich abhängig war und ausschleichen musste.
*** Wie wirken Antidepressiva ***
Das komische ist... Ich habe während der Einnahme nicht mal eine Wirkung verspürt. Erst als ich die Dosis reduzierte, merkte ich zeitverzögert, wie ich wieder sensibler wurde. Während der Einnahme war Schönes nicht mehr so schön und Blödes aber auch nicht mehr so blöd. Der Begriff Antidepressiva ist aus meiner Sicht falsch, weil in meinem Fall einfach nur die Amplitude zwischen Schön und Blöd reduziert wurde. "Anti-Emotions-Mittel" fände ich da durchaus passender.
*** Wichtige Erkenntnisse aus dem Forum ***
Die wichtigste Erkenntnis aus dem Forum war der nichtlineare Verlauf der Wirkungskurve von SSRI. So wirken die ersten 1-3 Tropfen relativ stark und jeder weitere Tropfen hat eine immer geringere Zusatzwirkung. Und dieses Wissen muss man sich beim Ausschleichen zu Nutze machen - nicht nur bei einer Langzeiteinnahme, bei der man als Faustregel die 10%-Methode Methode nutzen kann, sondern auch bei einer Kurzzeiteinnahme wie in meinem Fall. Der einzige Unterschied liegt wohl in den Abständen der Reduktion, die bei kürzerer Einnahmezeit durchaus kürzer ausfallen können (mag aber auch nur bei mir persönlich gegolten haben; sollte jeder für sich testen und irgendwann findet man die passende Absetzgeschwindigkeit).
Vielen Dank auch noch mal an den Tipp von Jamie bzgl. Ausschleichen und Ausdauersportarten wie Radfahren oder Joggen: Wer ausschleicht ist körperlich weniger leistungsfähig. Mir war teilweise nach dem Laufen schwindelig. Daher ist während des Ausschleichens nur eine begrenzte körperliche Belastung zu empfehlen.
*** Was passiert eigentlich wenn man nicht ausschleicht? ***
Irrtümlich hatte ich das SSRI bei einer Dosis von 7 mg komplett abgesetzt. Drei Tage später kamen dann die Entzugserscheinungen, sodass ich 1 Tropfen wieder für eine Woche eindosierte. Die größte Schwierigkeit ist wirklich das letzte (verdammte) mg. So nahm ich die Wasserlösmethode und reduzierte alle 2-3 Tage den einen Tropfen um 0,1 mg. Der letzte Tropfen hat mich alleine fast 3 Wochen gekostet. Und oft passierte es nach einer Reduktion um 0,1 mg, dass ich mich erst mal wieder 2 Tage nicht so gut gefühlt habe (dizzy).
*** GESUND?! ***
Nein, das bin ich mit Sicherheit noch nicht. Ich hatte bereits einen Rückfall. Und doch fühle ich mich stabiler, weil ich während meiner Krankschreibung viel Zeit für mich selbst hatte und neue Erkenntnisse für mein Leben gewinnen konnte:
Ich hatte das Glück und bin an einen tollen Life Coach geraten, der mir die Augen geöffnet hat. Ja, es gibt Baustellen in meinem Leben, an denen ich arbeiten muss und werde. Und doch ist mein Weltbild nicht grundsätzlich falsch. Im Wesentlichen bin nicht ich krank, sondern die Arbeitsbelastung und Erwartungshaltung in meinem Job. Nicht nur ich bin betroffen, sondern auch andere Mitarbeiter der Firma und speziell auch in der Abteilung, in der ich arbeite.
Mit diesem Wissen werde ich mein Leben neu gestalten. Dazu gehören ein 8 Wochen MBSR Kurs, regelmäßiger Sport, Zeit zum Freunde treffen sowie ein Job-Wechsel.
Ich hoffe der Post hilft weiteren Betroffenen.

Liebe Grüße
Irrtum