Hey Ana,
mit "Experten" meine ich die Leute, die schon teils seit 15, 20 oder mehr Jahren Leute im protrahierten Psychopharmaka-Entzug begleiten und schon ALLES gesehen haben

Solche wie Dr. Jen, Baylissa, Prof. Ashton oder die Leute vom Bristol Tranquilizer Project. Wenn jemand tausende Verläufe hautnah miterlebt hat, dann die. Die wissen sicher, wovon sie reden.
Dass gerade SSRI-Entzug viele Jahre dauern kann, das ist mir klar. Wobei es schon eine Grenze nach oben gibt, über der so gut wie keine Fälle mehr auftreten bzw. Einzelfälle.
Ich schätze eure lieben Ratschläge sehr. Gleichzeitig seht ihr nicht, wie es mir wirklich geht (um das zu beschreiben, gibt es auch keine Worte auf dieser Welt) und ich fühle mich da ein wenig missverstanden. Mein Mann sieht mich täglich und eigentlich sollte lieber er schildern, was er sieht. Ich weiß auch nicht, ob jemand von euch diese plötzlichen (Krampf-)"Anfälle" des Nervensystems kennt, unter denen ich leide, seit ich 3 Monate auf Null war und die jeden Menschen aushöhlen würden.
Es ist natürlich nett gemeint, dass ich mich ablenken soll oder mal spazieren gehen soll, aber - es geht nicht. Oder einfach mal ruhen. Ha, ja, würde ich auch gerne, aber das zerschossene Nerven- und Nebennierensystem lässt mir kaum Raum, um gekrümmt atmend zu überleben an vielen Tagen. Alles, alles dreht durch. Jeder Körperprozess triggert momentan - aufwachen, essen, einschlafen, Verdauung, vom Sitzen aufstehen, mehr als 10 Schritte gehen, Klogang usw.
Kurz und gut, so eine Intensivität nach fast 4 Jahren macht mir Angst.
Ablenkung ist zu viel für meinen Kopf. Ich kann nichts länger konzentriert machen, sonst steigen sofort die Symptome.
Ich muss viel in die Luft starren und konzentriert atmen. Da haben dann natürlich wieder die Entzugsgedanken freie Bahn (so viel meditieren und sie in positives umwandeln kann man gar nicht!). Und das ist der Grund, warum ich wieder (!) viel lese und analysiere, schön stückweise übern Tag verteilt. Es ist das einzige, was mich wieder runter bringt, was mir vor Augen führt, warum es mir gerade so geht, wie es mir geht, dass es "normal" ist. Lasse ich die Gedanken laufen, sagen die mir leider das Gegenteil: "Lass dich untersuchen, bestimmt hast du etwas anderes, vielleicht kann man es sogar behandeln, das ist doch nicht normal, wie du dahinsiechst, es wird ja immer schlimmer, solche Schäden kann doch kein Medikament verursachen" usw.
Ich hoffe, ich konnte das erklären. Ich brauche das Lesen, um mich in der Realität zu halten. Als es mir dazwischen, nach 1,5 bis 2,5 Jahren eine Zeit besser ging, brauchte ich es auch nicht, konnte mich ablenken, konnte TROTZ Symptomen Dinge tun.
Und an besseren Tagen geht das auch. Aber ab einer gewissen Intensität geht das eben nicht.
"tun, worauf ich Lust habe", Mole, ist bei mir etwas, das kaum je möglich ist. Selbst wenn das kleine Sachen wie Bastelprojekte sind. Da ist immer eine Einschränkung da, v.a. die letzten beiden Jahre. Und wie gesagt, auch wenn ich das vl nicht so gut erklären kann, diese Einschränkungen kann ich in den meisten Fällen nicht einfach ignorieren (und wenn ich es tue, steigern sich die Symptome bis zu Zuständen, wo jeder andere in die Notaufnahme fährt). Man würde ja einem Krebskranken oder einem Menschen mit MS auch nicht sagen: Nun leb einfach mal deinen Alltag, wenn du es wirklich willst, dann wird es sicher klappen. Ich bin sehr "krank", ich muss eine sehr limitierte Form von (Über)Leben praktizieren.
Jetzt die letzten 10 Tage und überhaupt die letzten Monate ging es mir schlechter als jemals im Entzug und ich habe eine Menge verloren, was ich mir schon zurückerkämpft hatte. Ich hätte nie geglaubt, dass es dazu kommen kann, und bei meiner Symptomvarietät und meinen Zuständen weiß ich auch ehrlich nicht, ob man das guten Gewissens dem Entzug zurechnen kann. Andererseits weist alles auf ein unreguliertes, unfunktionelles Nervensystem mit Folgesymptomen hin.
Ich kann nur ein hundertstes Mal auf die "finale Welle" hoffen.
Ich habe Angst daran zu denken, wie es weitergeht, weil ich dieses Gefühl habe, dass etwas passieren kann. Was Schlimmes oder Gutes, ich bin nicht sicher. Vielleicht ist das Gefühl aber auch nur Entzug.
Mittlerweile triggert alles. NEM/Supplemente (da habe ich auch schon alles versucht, was es gibt), Essen (ich nehme mehr und mehr ab), Sonne, Geräusche, Licht.
Ich freue mich aber sehr, dass es bei euch beiden doch schon etwas besser zu werden scheint bzw. bei dir, Mole, ist das ja ein Grund für ein Freudenfest, wie gut es dir jetzt geht!!!
Ich bin auch nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben, dass ich das auch irgendwann noch erleben darf. Hoffen darf man ja.
Lena