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Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 03.08.2018 23:47
von edgar
Liebe Forengemeinde,

ich möchte Euch auf den weltweit ersten Aufklärungsbogen zu Antidepressiva aufmerksam machen, der in Kooperation mit mehreren Kliniken und Vertretern der Selbsthilfe entstanden ist.

Als daran Mitwirkender kann ich sagen, dass es von vornherein klar war, dass natürlich ein Kompromiss entstehen wird, aber wir als Selbsthilfe-Vertreter haben einige enorm wichtige Punkte in harten Kämpfen durchsetzen können, die dann in dem Aufklärungsbogen aufgenommen wurden. Zu diesen Punkten gehörten: Abhängigkeit bzw. Entzugssymptomatik, aber auch der der Suizidalität und EKT. Beim Punkt der Wirksamkeit könnten wir uns leider nicht durchsetzen, weil sonst der Aufklärungsbogen überhaupt nicht zu Stande gekommen wäre bzw. gescheitert wäre, was uns ein zu hoher Preis zu sein schien. Im Aufklärungsbogen steht aber zur Wirksamkeit von Antidepressiva auch nicht drin, dass eine gute Wirksamkeit belegt sei, sondern nur, dass sie bei mittelstarken Depressionen alternativ zur Psychotherapie empfohlen werden und bei starken Depressionen in Kombination mit Psychotherapie zu empfehlen sind entsprechend der S 3 Leitlinie Unipolare Depression. Wer dort dann nachliest, wird finden, dass der Unterschied zwischen Antidepressivum und Placebo in der Wirksamkeit eigentlich erst bei sehr starken Depressionen zu Gunsten des Antidepressivums ausfällt. Von daher kann man insgesamt einigermaßen damit leben. Allerdings hatten wir auch ins Feld geführt, dass unabhängige Meta-Analysen wie z.B. die von Jacbosen et al. (2017) den Antidepressiva mehr Schaden als Nutzen bescheinigen. Aber wie gesagt: Wir konnten an diesem Punkt nicht mehr erreichen.

Insgesamt ist aus meiner Sicht der Aufklärungsbogen aber enorm wichtig und ein echter Fortschritt. Er soll noch in diesem Jahr bei der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) vorgestellt werden.

Aktuell bin ich noch involviert in eine ausführliche Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie zum Thema Antidepressiva. Diese wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Hier nun der Link zum Aufklärungsbogen einmal in leichter und in normaler Sprache (gedruckte Exemplare werden demnächst ebenfalls in Umlauf gebracht):

https://www.netzg-rlp.de/downloads/info ... oschueren/

oder hier http://www.antipsychiatrieverlag.de/art ... ung-ad.pdf
Und leichte Sprache hier: http://www.antipsychiatrieverlag.de/art ... -ad-ls.pdf

Herzliche Grüße
Edgar

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 03.08.2018 23:51
von edgar
Ach ja: Das ADFD ist übrigens auch genannt ! :)

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 04.08.2018 08:54
von Murmeline
Hallo!

Vielen Dank fürs einstellen und für dein unermüdliches Engagement! Ich weiß, Du und andere Vertreter haben das aktuell bestmögliche aus dem Projekt herausgeholt bzw. hineingebracht! Es ist wichtig, dass die Selbsthilfe ihre Themen einbringt und du hast dabei nicht locker gelassen. Toll!

Murmeline mit Grüssen

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 04.08.2018 18:00
von sybsilon
Lieber Edgar,

das ist doch ein Riesenschritt in die richtige Richtung.
Vielen Dank für Deinen unermüdlichen Einsatz.

LG sybsilon

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 04.08.2018 18:09
von edgar
Liebe Sybsilon,

vielen Dank.

Ja, endlich wird u.a. die größte deutsche Organisation von Psychiatern, die DGPPN, sich noch dieses Jahr mit der Thematik der körperlichen Abhängigkeit und der Entzugssymptome, inkl. der persistierenden, auseinanderzusetzen haben bzw. kann diese nicht länger ignorieren. Es war sehr wichtig, Kliniken bzw. Psychiater beim Aufklärungsbogen mit im Boot zu haben. Letztlich kommt diesen eine Vorreiter-Rolle zu.

Liebe Grüße und alles Gute !
Edgar

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 04.08.2018 18:19
von edgar
Liebe Foris,

zur Wirksamkeit oder besser gesagt Nicht-Wirksamkeit von Antidepressiva stelle ich hier einen Entwurf rein, den ich erarbeitet hatte. Diesen Punkt hatten wir ja leider vergeblich versucht noch in den Aufklärungsbogen unterzubringen. Das dies von Psychiaterseite nicht gewollt war, ist irgendwie verständlich, denn von der angeblichen Wirksamkeit bleibt dann nicht viel übrig. Letztlich muss man eher annehmen, dass eine Besserung bei Patienten entweder gar nicht auf die Antidepressiva zurückzuführen ist oder über die unerwünschten Anwendungswirkungen wie z.B. emotionale Abgestumpfheit, die als hilfreich empfunden werden kann, zu Stande kommt.

Hier also der Text:

Wirksamkeit von Antidepressiva ?

Die Wirksamkeit von Antidepressiva wird durch selektive Studien-Publikationen (positive Ergebnisse werden veröffentlich, negative nicht; Turner et al, 2008; Maund et al., 2014) übertrieben dargestellt; Turner et al. gehen von einer um 32 % verzerrten Wirksamkeit aus.

Die Verblindung in placebokontrollierten Psychopharmaka-Studien ist nicht gewährleistet (Fisher & Greenberg, 1993), z.B. durch das Spüren von unerwünschten Anwendungswirkungen (UAW) von Psychopharmaka wird die Verblindung sehr oft gebrochen . Dies führt zu einer Überbewertung der Wirksamkeit des aktiven Medikaments; bei Ausschluss dieser Verzerrung durch den Einsatz eines aktiven Placebos kam z.B. in einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie keine Wirksamkeit des Antidepressivums heraus (Moncrieff et al., 2004).

Weil Depressionen häufig auch selbstlimitierend sind bzw. ohne Behandlung vorüber gehen (Posternak et al., 2006; Whiteford et al., 2013), ist eine „Wirkung“ von Antidepressiva allein nicht zweifelsfrei nachzuweisen. 23% bei unbehandelter Depression erholten sich innerhalb von 3 Monaten, 32% innerhalb von 6 Monaten und 53% innerhalb von 12 Monaten (Whiteford et al., 2013).

Antidepressiva haben zwar gegenüber Placebos statistisch signifikante Effekte, jedoch keine eindeutig belegbaren klinisch bedeutsame Effekte, und alle untersuchten Studien hatten ein hohes Risiko für Bias (Jacobsen et al., 2017).

Selbst die viel diskutierte Meta-Analyse von Cipriani et al. aus dem Jahr 2018, die die Wirksamkeit von Antidepressiva nach zahlreichen kritschen Berichten der letzten Jahre nun doch beweisen sollte, zeigte nur einen äußerst geringen Verum-Placebo-Unterscheid von klinisch fragwürdiger Relevanz (Arzneitelegramm 2018, Jg. 49, Nr. 5). Dort wurden auch nur kurzfristige „Therapieerfolge“ über 2 Monate untersucht, aber kein Nutzen-Schaden-Verhältnis bei mehrmonatiger oder jahrelanger Einnahme; auch wurden keine unerwünschten Anwendungswirkugen oder Entzugserscheinungen beim Absetzen untersucht. Die schon oben erwähnten Kritikpunkte wie durchbrochene Verblindung wurden bei der Cipriani-Meta-Analyse auch nicht berücksichtigt.

Sebst wenn man davon ausgeht, dass Antidepressiva eine kleine klinisch signifikante Wirkung bei sehr schweren Formen von Depressionen haben (Fournier et al., 2010; DeRubeis & Fournier, 2010; die genannten Studien wurden allerdings nicht hinreichend verblindet, weil nur konventionelle Placeos eingesetzt wurden), würden nur wenige Patienten davon profitieren, denn nur 11 % der Patienten mit Depressionen haben eine sehr schwere Form der Depression (Kirsch 2014) bzw. nur 8 % der depressiven Patienten, die in der alltäglichen klinischen Praxis behandelt werden, würden sich als Teilnehmer für eine klinische Wirksamkeitsstudie eignen (Zimmerman et al., 2002), bei der man größtenteils Teilnehmer mit einem durchschnittlichen HAM-D-Wert von 25,7 nimmt, was sehr schweren Depressionen entspricht (Arzneitelegramm 2018, Jg. 49, Nr.5). Für die überwiegende Mehrheit der Patienten sind Antidepressiva nicht wirksamer als Placebos (Khan, Redding & Brown, 2008; Kirch, 2008).

Die Wirksamkeit von Antidepressiva kann man auch daran ablesen, ob sich die Genesungszeit gegenüber Placebos verkürzt. Aber auch hier zeigte sich eine nur relativ unbedeutende kürzere Genesungszeit: Die Patienten waren anfangs schwer depressiv und nach 4 Wochen Medikation nur noch leicht. Die Patienten aus der Placebogruppe brauchten 8 Tage länger, bis sie sich in gleichem Ausmaß erholten (Gibbons et al., 2012). Da auch hier keine aktiven Placebos verwendet wurden, muss man sogar von weniger als 8 Tage Unterschied ausgehen.

Summa summarum lässt sich festhalten, dass Antidepressiva keine eindeutig belegbare antidepressive Wirkung haben und bestenfalls einer kleinen Gruppe von Patienten mit schwersten Depressionen einen kleinen Nutzen bringen kann,wobei das für den Patienten für oder gegen eine Behandlung mit einem Antidepressivum entscheidende Risiko-Nutzen-Verhältnis noch nicht berücksichtigt ist.

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 04.08.2018 18:20
von Offene Reise
Hey Edgar,

Hut ab vor eurer Arbeit! Was wie veröffentlicht wird, ist ja oft politisch geprägt. Vielen Dank für euren langen Atem.

LG

Lukas

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 05.08.2018 11:41
von inandout
Hallo Edgar,

danke fürs Einstellen, klingt wirklich gut! Darf ich aber fragen, welche Möglichkeiten der Anwendung des Bogens es geben wird? Oder ist darüber schon irgendwo hier geschrieben? Gibt es z.B. eine realistische Chance, dass die DGPPN den "annimmt" und er in Zukunft Patienten gezeigt werden muss vor Beginnn von AD-"Therapie"? Es kommt mir so unmöglich vor, weil er ja schon in dieser Form eigentlich nur den Schluss zulässt, dass Psychiater mit ADs irgendwas anbieten, von dem der Nutzen völlig unklar ist, und dass über das Risiko eigentlich noch viel mehr zu sagen wäre -- ergo, die ganze Grundlage psychiatrischer Behandlung wäre nicht gegeben, deshalb mein Staunen.

LG,
inandout

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 05.08.2018 16:40
von edgar
Hallo inandout,

es wird sehr bald eine Printversion des Aufklärungsbogens geben, der dann mit ein paar Tausend Exemplaren möglichst breitflächig verteilt werden wird. Letztlich sollte ein jeder von uns auf die Online-Version aufmerksam machen, damit möglichst viele den Aufklärungsbogen zu Gesicht bekommen.

Wie die DGPPN auf den Aufklärungsbogen reagieren wird, kann mit Spannung erwartet werden. Letztlich ist die Rechtslage so, dass nach dem Patientenrechtegesetz jeder Patient seine sog. "informierte Zustimmung" zur Behandlung geben muss, sonst macht ein Arzt sich strafrechtlich belangbar.

Das häufige Argument, wie ein Arzt dass in 5-10 -Minuten-Gesprächen leisten soll, kann man nicht gelten lassen, weil es seit vielen Jahren Anwaltskanzleien gibt, die anbieten, dass sie solchen einen Aufklärungsbogen rechtlich hieb- und stichfest anfertigen könnten und dem Patienten dann ausgehändigt werden kann. Ein Verweis des Arztes auf die Packungsbeilage reicht übrigens nicht aus...

Das, was im Aufklärungsbogen steht, ist also schon längst in jedem Falle anzuwenden. Dennoch ist die Aufklärung eine Rarität in der Psychiatrie, was auch durch Studien belegt ist. Ich hatte das vor einiger Zeit recherchiert und stelle es - am besten in der nachfolgenden Antwort - mal hier rein.

Ein Praxisbeispiel: Wenn also ein Patient zum Arzt geht wegen Depressionen und der Arzt verordnet ihm - ohne ausreichende Aufklärung - ein Antidepressivum, was z.B. sexuelle Dysfunktionen zur Folge hat, dann hat der Arzt eine strafbare Handlung begangen bzw. eine Körperverletzung.

Ich hoffe, ich konnte Deine Frage soweit zufriedenstellend beantworten.

Liebe Grüße
Edgar

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 05.08.2018 16:42
von edgar
Hier die Belege, dass eine Aufklärung in der Psychiatrie eine Rarität darstellt:

Psychiater praktizieren selten mit dem Patienten in der Behandlungsauswahl eine Partizipative
Entscheidungsfindung (Morant et al.,2015). Auch unter Allgemeinmedizinern, die ca.
zweidrittel der Antidepressiva verordnen, ist eine Partizipative Entscheidungsfindung
(„shared decision making“) bei der Behandlung von Depressionen eine Rarität (Young et al,
2008). In einer australischen Studie gaben nur 13 % der Patienten an, eine aktive Rolle bei der
Auswahl der antidepressiven Behandlung zu spielen (Singh et Dimitriou, 2017). Patienten
berichten, dass sie mehr Beratung benötigen, welche nicht pharmakologischen Behandlungen es
gibt, Informationen über Ursachen von Symptomen, Einschätzung einer Schaden-Nutzen-Bilanz
und keine zu schnelle Verordnung von Antidepressiva (Nederlof et al., 2017).

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 05.08.2018 17:15
von weg
hi edgar
edgar hat geschrieben:

Ein Praxisbeispiel: Wenn also ein Patient zum Arzt geht wegen Depressionen und der Arzt verordnet ihm - ohne ausreichende Aufklärung - ein Antidepressivum, was z.B. sexuelle Dysfunktionen zur Folge hat, dann hat der Arzt eine strafbare Handlung begangen bzw. eine Körperverletzung.
kennst du da aktuelle gerichtsverhandlungen, resp. gerichtsurteile?

ich wäre daran sehr interessiert da mein kollege gerade ein gerichtsverfahren am hals hat. er hat mit zolpidem einen selbstunfall gemacht und wurde angeklagt. urteil 2500.-- busse oder 3 tage gefängnis. begründung, zolpidem kann nicht daran schuld sein. das gibt es nicht...(wir legten berufung ein)

ich erwähne das mal sehr knapp. wäre eine längere geschichte. es ist mir klar, dass es sich nicht um antidepressivas handelt, aber trotzdem...

danke für deine arbeit
herzlich
weg

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 05.08.2018 17:15
von LinLina
Hallo edgar :-)

ist das ein Zitat? Hast du eine Quelle dafür?

Danke :-)

Liebe grüße
Lina

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 05.08.2018 17:17
von Murmeline
Hallo!

Ich glaube, dass hat Edgar selbst zusammengestellt und verfasst :)

Murmeline

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 05.08.2018 21:23
von edgar
Liebe LinLina, lieber Weg,

was ich oben schrieb, ergibt sich aus den gesetzlichen Grundlagen (Strafgesetzbuch und Patientenrechtegesetz bzw. BGB).

Hier ein Link dazu:

https://www.lanz-legal.de/home/medizins ... beispiele/

Herzliche Grüße
Edgar

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 05.08.2018 21:27
von edgar
Der entscheidende Passus daraus:

"Das wesentliche Problem bei der Einwilligung des Patienten in den Eingriff liegt in der Frage, ob der Patient diesem konkreten Eingriff zugestimmt hat und ob er genügend Informationen hatte um sich eine Vorstellung von dem geplanten Prozedere zu machen. Es gilt dass wer nicht weiß zu was er zustimmt, auch nicht wirksam einwilligen kann."

Die Verabreichung von Psychopharmaka gilt natürlich auch als ein Eingriff, also nicht nur eine OP.

Hier noch etwas dazu von der DGSP (PDF Seite 9 "Aufklärung"):

https://www.dgsp-ev.de/fileadmin/user_f ... 14_web.pdf

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 08.08.2018 14:50
von inandout
Hallo edgar,

der Nachweis dürfte aber schwer fallen, nicht wahr? Psychiater klären ja serienmäßig nicht so auf, wie sie es müssten. Kennen wir Beispiele für erfolgreiche Klagen? Für mich ist das jetzt auch relevant, denn die Klinik gibt an, meine Krankenakte nicht mehr aufzufinden, da frage ich mich, ob ich dann Chancen habe, mit einem Behandlungsfehler durchzukommen bzw. mangelnde Aufklärung festzustellen.

LG,
inandout

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 09.08.2018 23:07
von edgar
Hallo inandout,

grundsätzlich rate ich immer dazu, unmittelbar bzw. ohne Vorankündigung mit einem Zeugen die Einsicht in die Krankenakte zu verlangen. Als Patient hat man nach dem Gesetz das Recht auf unmittelbare Akteneinsicht und darf nicht vertröstet werden. Ich bin kein Jurist, vermute aber, dass im Falle des Nichtauffindens der Akte sich die Beweislast umkehrt, also die Klinik bzw. der Arzt beweisen muss, dass er aufgeklärt hat.

Ansonsten ging es mir in meinem Beitrag in erster Linie darum, dass der Patient von vornherein über seine Rechte informiert ist.

Viele Grüße
Edgar

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 10.08.2018 08:27
von inandout
Hallo edgar,

vielen Dank für deine Antwort. Nach meiner Information ist es bei Akten, die länger zurückliegen (in meinem Fall 2009) nicht so mit der Unmittelbarkeit, wenn sie also z.b. schon ins Archiv ausgelagert sind. Wenn du mit der Umkehr der Beweislast recht hast, wäre das natürlich ganz großartig für mich - anwaltliche Beratung bin ich gerade dabei, mir zu organisieren.

Worum es in deinem Beitrag ging, habe ich schon verstanden. Ich wollte hier nur auf den wichtigen Unterschied zwischen "Recht haben und Recht bekommen" hinaus. Die Praxis sieht nun mal so aus, dass Psychiater schon vor der Existenz des Aufklärungsbogens massenhaft ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sind, also das Recht gebeugt haben und es weiter tun, und ich frage mich, wie sich das ändern kann. Natürlich ist dazu ein Aufklärungsbogen, der ein gewisses Maß an Bekanntheit erreicht, sicherlich sehr förderlich.

Viele Grüße,
inandout

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 10.08.2018 12:33
von carlotta
Hallo inandout,
inandout hat geschrieben: 10.08.2018 08:27 Ich wollte hier nur auf den wichtigen Unterschied zwischen "Recht haben und Recht bekommen" hinaus. Die Praxis sieht nun mal so aus, dass Psychiater schon vor der Existenz des Aufklärungsbogens massenhaft ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sind, also das Recht gebeugt haben und es weiter tun, und ich frage mich, wie sich das ändern kann.
Da hast Du sicher recht. Allerdings sind sich viele Patienten bestimmt nicht komplett bewusst über ihre Rechte und fordern sie entsprechend auch viel zu selten ein, was u. a. dazu beiträgt, dass Behandler weiterhin schalten und walten können, wie es ihnen gefällt. Wenn mehr Patienten diesbezüglich auf die Barrikaden gingen (was natürlich nicht immer leicht ist, v. a. wenn man sehr geschwächt ist, das ist mir schon klar), würde sich vielleicht auch mittel- und längerfristig insgesamt mehr ändern.

Recht muss man halt auch einfordern, auch wenn es bereits irgendwo festgeschrieben ist. (Da bist Du ja auf einem guten Weg. :) )

Was ich mir noch als Problem vorstellen könnte, ist die mögliche Verjährung. Ich glaube, die ist bei diversen Sachverhalten in diesem Bereich recht knapp bemessen, zum Nachteil der Patienten.

Liebe Grüße, alles Gute für Deinen Rechtsfall
Carlotta

Re: Aufklärungsbogen Antidepressiva

Verfasst: 10.08.2018 19:11
von Offene Reise
Hey Carlotta,

ein wichtiger Punkt, dass Patienten gut daran tun würden, mehr auf die Barrikaden zu gehen. Ich muss da an Kumi Naidoos Ted Talk denken. Ein ermutigender und mutiger Vortrag. Über die Apartheit in Südafrika sagt er:

"Wenn man im System lebt, denkt man, dass ein Wandel unmöglich ist. Erst als die Menschen begannen, daran zu glauben, dass ein Wandel möglich ist, wurde es möglich."

Viele Betroffene sind in der Tat sehr geschwächt und mit der eigenen Gesundung beschäftigt. Ich denke aber, dass es eine breite gesellschaftliche Aufgabe ist - es sind ja nicht "nur" wir Konsumenten, die Leiden. Wir haben Geschwister, Eltern, Freunde, Arbeitskollegen...

Unser Gesundheits-System ist nicht nur moralisch und ethisch nicht haltbar, es ist auch nicht nachhaltig. Es muss unter seiner eigenen Last zusammenbrechen.

Es bewegt sich was, wenn auch langsam. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

LG

Lukas