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ÜBERSICHT: Als Antidepressiva deklarierte Amfetamin-Analoga

Eine Sammlung von Artikeln, die über wissenschaftliche, politische und wirtschaftliche Hintergründe der Behandlung von seelischen Leiden mit Psychopharmaka berichten.
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PhilRS
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ÜBERSICHT: Als Antidepressiva deklarierte Amfetamin-Analoga

Beitrag von PhilRS »

Es gibt auf dem Arzneimittelmarkt inzwischen wieder eine große Anzahl von Amfetamin- bzw. Phenylethylamin-Abkömmlingen (unten "PEA-Derivate" genannt); weitere warten auf die Zulassung. Komplikationen und Abhängigkeiten in großem Ausmaß sind zu befürchten bzw. schon eingetreten.

Wieder heißt: Die suchterzeugenden Amfetamine "alten Schlags" wurden - zu Recht, nur oft zu spät - verboten oder zurückgezogen.
Jetzt gibt es leider eine neue Generation dieser gefährlichen Mittel. Die meisten sind hier einschlägig bekannt.

Das "Neue" hierbei: Während die 'klassischen' Amfetamin-Varianten berüchtigt sind und als "Speed" auf dem Drogen-(Schwarz-)Markt kursieren, behaupten die Hersteller der meist als "Antidepressiva" angebotenen neueren Stoffe oft, dass ihre Produkte "keine Gemeinsamkeiten mit anderen Antidepressiva" aufweisen.

- Das stimmt sogar in gewissem Sinne, denn mit den früher üblichen Antidepressiva haben diese Substanzen nichts zu tun. Dafür umso mehr mit den eng verwandten Suchtmitteln aus der PEA-/Amfetamin-Klasse.
Hintergrund: Amfetamine hat geschrieben:Warum sind Amfetamine gefährlich?

Nach der WHO-Klassifikation gibt es 6 Typen der Abhängigkeit:
  • Alkohol-/Barbiturat-/Benzodiazepin-Abhängigkeit,
  • Morphin-/Opiat-,
  • Kokain-,
  • Cannabis-,
  • Halluzinogen-(Mescalin-/LSD-) und
  • Amfetamin-Abhängigkeit.
Die Amfetamin-Abhängigkeit ist v.a. psychisch, kaum körperlich (umstritten).
Ursache ist die euphorisierende, wachmachende und - zunächst - leistungssteigernde Amfetamin-Wirkung: Sobald sie nachlässt, treten Depressionen, absolute Erschöpfung usw. auf, wodurch erneute Einnahme nötig wird. Da die Wirkung schnell abnimmt, muss die Dosis gesteigert werden.

Die Amfetamin-Einnahme geht gleichzeitig mit hohen Risiken einher, wie Blutdrucksteigerung und Herz-Kreislauf-Schäden (darunter Schlaganfall und Herzinfarkt), extreme Gewichtsabnahme, Auslösung von Psychosen sowie direkte Schädigung von Hirnstrukturen samt irreversibler Persönlichkeitsveränderungen.

Amfetamine können bei ermüdeten, erschöpften, entkräfteten Menschen die letzten Reserven mobilisieren; deshalb werden sie auch heute noch als Dopingmittel verwendet (z.B. im Rad"sport" - aktuelles Beispiel: Danilo Hondo).
Nach Aufbrauchen dieser physischen und psychischen Reserven kommt es zum - nicht nur körperlichen - Zusammenbruch; zahllose Todesfälle sind beschrieben.

Eine bestehende Depression wird durch Amfetamin-Einnahme für kurze Zeit gebessert, die Stimmung hebt sich; nachfolgend tritt eine Verschlimmerung ein.
Die älteren Amfetamine wurden früher zur Depressionsbehandlung verwendet. Nachdem die generell verschlechternde Wirkung und die zahlreichen Risiken anerkannt waren, gilt spätestens seit den 70er/80er Jahren die Verschreibung von Amfetamin-artig wirkenden Substanzen bei Depression als ärztlicher Kunstfehler.

Wegen der Gesundheitsgefahren wurden die Amfetamine zu "harten Drogen" erklärt und somit dem Heroin, Kokain etc. gleichgestellt.
Ich gebe im Folgenden eine knappe Übersicht über die (bis auf die erstgenannten) als Antidepressiva propagierten Amfetamin-verwandten Substanzen, auch als Gedächtnisstütze für mich.

Der Beitrag wird bei Bedarf erweitert. Die Klassifizierung ist geprüft und sollte korrekt sein. Die Einteilung nach "Wirkstärke" bei (A) bezieht sich auf die Amfetamin-Wirkung.

Euer
-PhilRS.

<hr>

(A) PHENYLETHYLAMIN (PEA)-DERIVATE
  • PEA-Derivate enthalten die Grundstruktur Phenylethylamin.

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    Das Betäubungsmittel Amfetamin, sowie Metamfetamin und weitere "aufputschende" Drogen sind relativ einfache chemische Ableitungen ("Derivate") von PEA.

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    Die hierunter genannten Wirkstoffe sind in ihrer Struktur meist etwas komplizierter, aber dennoch PEA-Derivate -- mit Wirkungen, die zumindest teilweise derjenigen der Suchtmittel entsprechen.
1. Starke Stimulanzien ("klassische" Amfetaminwirkung)

* Methylphenidat / RITALIN, MEDIKINET, u.a.

Betäubungsmittel (BtM). Stark aktivierend, euphorisierend, hohes Abhängigkeitspotenzial.
Zugelassen zur Anwendung bei Kindern mit Hyperkinetischen Störungen bzw. ADHS; wirkt dabei offenbar "paradox" - beruhigend -; umstrittenes Therapieprinzip wegen unklarem Nutzen-Risiko-Verhältnis.
Neuerdings breite Anwendung beim hypothetischen (!) "Erwachsenen-ADHS" entgegen Sicherheitsbedenken; von einem bereits weit verbreiteten Missbrauch infolge Fehldiagnosen und -rezeptierungen ist auszugehen.
Vermutlich einige Tausend Fälle von (v.a. psychischer) Abhängigkeit bei Erwachsenen.
  • Kann Depressionen auslösen bzw. verschlimmern.
  • Daher bei akuter depressiver Phase und bei Depression in der Vorgeschichte kontraindiziert.

2. Mittelstarke Stimulanzien (mildere Amfetaminwirkung)

* Pemolin / TRADON

Psychostimulans ohne Nutzennachweis bei ADHS oder Narkolepsie, obwohl für letzteres zugelassen. Überholtes Therapieprinzip; wegen lebensgefährlicher spezifischer Störwirkungen (Lebertoxizität) ist in Kürze mit der Marktrücknahme zu rechnen. Abhängigkeitspotenzial vorhanden.
Vermutlich wurde in den letzten Jahren der überwiegende Teil der Produktion missbräuchlich konsumiert, da es keine sonstige/sinnvolle Einsatzmöglichkeit gibt (beliebt z.B. bei Ärzten als "Durchhaltehilfe").
  • Kann Depressionen auslösen bzw. verschlimmern.
  • Daher bei akuter depressiver Phase und bei Depression in der Vorgeschichte kontraindiziert.

* Amfebutamon ("Tarn-Freiname": Bupropion) / ZYBAN, WELLBUTRIN
  • Bild
Als "Antidepressivum" entwickelt, in der EU als "Pille zur Raucherentwöhnung" vermarktet.
Wirkt direkt auf das (dopaminerge) Belohnungssystem - im Gegensatz zum Nikotin mit seiner indirekten Wirkung. Darum mglw. mit höherem Abhängigkeitspotenzial als der ursprüngliche Zigarettenkonsum, d.h.: Der Teufel wird mit dem Beelzebub ausgetrieben. Dauerhafte Nikotin-Abstinenz nach Ende der Einnahme ist selten.
Lebensbedrohliche Schadwirkungen sind beschrieben; negative Nutzen-Risiko-Relation.
  • Kann Depressionen auslösen bzw. verschlimmern.
  • Daher bei akuter depressiver Phase und bei Depression in der Vorgeschichte kontraindiziert.
:!: UPDATE:

Amfebutamon/Bupropion hebt im Tierexperiment die Dopamin-Konzentration im synaptischen Spalt stärker als die von Noradrenalin - das ist für Amfetamine typisch.
-> Außerdem gibt es vermehrt Berichte über Psychosen durch ZYBAN, die der Charakteristik nach der Amfetamin-Psychose entsprechen. In einem Fall war sogar intensiver Cannabis-Gebrauch ohne psychische Störungen verkraftet worden, ZYBAN hingegen verursachte eine schwere Psychose (Neumann/Livak/Paul: Akute Psychose nach Gabe von Bupropionhydrochlorid (ZYBAN); Psychiatrische Praxis 2004 (31), Suppl. 1, S. 140-141).


(Angesichts dieser neueren Befunde musste ich Amfebutamon/Bupropion heraufstufen. -PhilRS)


3. Schwache Stimulanzien (leichte Amfetaminwirkung)

* Sibutramin / REDUCTIL
  • Bild
Als "Antidepressivum" entwickelt, in der EU als "Schlankheitsmittel" vermarktet.
Ähnliche Problematik wie bei ZYBAN (siehe oben): Kein Effekt über die Dauer der Einnahme hinaus nachgewiesen. Diverse gefährliche Störwirkungen.
  • Kann Depressionen auslösen bzw. verschlimmern.

4. Substanzen mit variabler oder unklarer stimulierender Wirkkomponente

* Venlafaxin / TREVILOR, EFFEXOR, u.a.
  • Bild
Als "Antidepressivum" vertrieben.
Kann wie alle Substanzen dieser Gruppe - (A) - Psychosen auslösen oder verschlimmern; krisenhafter Blutdruckanstieg, Abhängigkeit usw. sind beschrieben.
Die "antidepressive" Wirkung könnte zum Teil auf stimulierenden (Amfetamin-)Effekten beruhen.
  • Kann Depressionen auslösen bzw. verschlimmern.

* Dapoxetin / -

Noch nicht zugelassener Wirkstoff, vorgesehen zum Einsatz bei der "vorzeitigen Ejakulation" des Mannes.
Riskanter und unnötiger Therapieansatz, da die (angebliche) ejaculatio praecox sich in den allermeisten Fällen nicht-medikamentös hervorragend beheben lässt.
Mit breiter Anwendung bei minderschweren Fällen ist zu rechnen, und damit mit vielen Komplikationen, die eigentlich vermeidbar wären.
  • Kann vermutlich Depressionen auslösen bzw. verschlimmern. (Begründung: siehe oben.)
(...)

<hr>

(B) PHENYLPROPYLAMIN (PPA)-DERIVATE
  • PPA-Derivate unterscheiden sich von den oben genannten PEA-Abkömmlingen dadurch, dass sich ein weiteres C-Atom in der zentralen Kette (am "Phenylrest") befindet. Die PPA-Verwandten wirken klar schwächer stimulierend als die PEA-Derivate, sind allerdings oft ebenfalls mit einem Abhängigkeitspotenzial behaftet.

* Fluoxetin / FLUCTIN, PROZAC, u.a.

- Kommentar hier überflüssig -- siehe Forum -


* Paroxetin / SEROXAT, TAGONIS, PAROXAT, PAXIL, u.a.

- Kommentar hier überflüssig -- siehe Forum -


* Atomoxetin / STRATTERA

Als "Antidepressivum" entwickelt, als Nicht-BtM zur ADHS-Behandlung bei Kindern vermarktet.
Weiteres HIER.
  • Kann Depressionen auslösen bzw. verschlimmern.

* Reboxetin / EDRONAX, SOLVEX

Aktivierend, als "Antidepressivum" vermarktet.
- weiteres siehe Forum, oder ggf. hier -
  • Kann Depressionen auslösen bzw. verschlimmern.

(...)

<hr>

(C) WEITERE SUBSTANZEN (entfernt analog (A) oder (B) aufgebaut)

* (S-)Citalopram / CIPRAMIL, CIPRALEX, u.a.

Vier C-Atome zwischen Ring (Phenylrest) und Amino-Terminus, anstelle 2 bei den PEA- und 3 bei den PPA-Derivaten. Das erste davon ist allerdings in einen zusätzlichen Ring eingebunden, wodurch ein extremer Bindungswinkel bei C2 entsteht; mglw. ist dadurch die den PPA-D. ähnliche Wirkung erklärbar.
Im Vergleich zu den übrigen angesprochenen Substanzen relativ wenige Berichte über Abhängigkeit, jedoch haben sowohl Citalopram als auch "Escitalopram" ein deutliches Potenzial zur Auslösung von "ZAPS" (stromschlag-ähnliche Missempfindungen bei Dosisverringerung bzw. Absetzen).


* Sertralin / GLADEM, ZOLOFT

Nur ein C-Atom zwischen Phenyl- und Amino-Terminus; jedoch wiederum in ein zusätzliches Ringsystem eingebunden. Vermutung ähnlich wie beim Citalopram.
Berichte über Abhängigkeitsentwicklung liegen vor.

(...)


TO BE CONTINUED ...

:evil:
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